„The Rule of Thirds“ nährte noch die Hoffnung, dass Grantscherben Douglas seinen notorischen Ingrimm hinter sich lassen und zu neuen kreativen Ufern aufbrechen könnte. Nun ja, anlässlich des Nachfolgewerks könnte man meinen: Nicht immer stirbt die Hoffnung zuletzt - manche Helden legen sich lieber schon vorzeitig ins Grab. Andererseits könnte man kontern, dass Death in June nicht wären, was sie sind, wenn Douglas P. nicht wäre, wie er eben ist, stur einzelgängerisch und das im Grab Liegen womöglich als kleinen persönlichen Heidenspass inszenierend. So gesehen könnte „Peaceful Snow“ ein sich ganz im Sinne seines Schöpfers suhlender zwiespältiger Bastard sein. Aber wie gesagt, nicht immer stirbt die Hoffnung zuletzt und der Verdacht liegt nahe, dass sich da jemand sein Grab schönreden möchte.
Der erste Höreindruck von „Peaceful Snow“ verspricht jedenfalls mehr, als das Album im Endeffekt einlösen kann. Douglas Pearces Stimme kann bei vielen Passagen nach wie vor betören, dass er sich neuerdings von einem Klavier begleiten lässt, birgt das Potential einer geringfügigen Neuerfindung. Nach gründlichem Hinhören allerdings entpuppen sich Textkonzept und Klavier als zu billig, die Zusammenführung als zu plump, man hört, dass nicht zusammen aufgenommen, sondern nur Material herumgeschickt wurde. Vor allem im Kontext der Interviews, die Douglas P. wieder gehäuft gibt und in denen er den alten Hut der David Tibet-Beflegelung („He cursed himself with his own words and actions and he’s got the scars to show for it.“ „He took the wrong path.“) erneut auspackt, könnte frech geantwortet werden, dass letzterer eben gerade nicht den falschen Weg genommen, das Klavier schon längst für sich entdeckt und in Partnern wie Baby Dee unbestritten weitaus kongenialere Begleiter gefunden hat.
Der Klavierbegleiter auf „Peaceful Snow“ ist der Slowake Miro Snejdr, Teil des kabarettesken und durchaus Potential bergenden Duos Folk Grinder (Eigendefinition: „Sea Shanty 'n'Rock'n'Folk'n'Roll“). In Sachen Death In June ist er ein Neubekehrter, erst seit „The Rule of Thirds“ lichterloh brennender Adorant und Neo-Adept , samt eintätowiertem Douglas-Zitat. Durch seine Klavierinterpretationen von Death In June-Songs wurde er zu einer mittelprächtigen YouTube-Berühmtheit, was ihm später auch die Brücke zum Meister höchstpersönlich legen sollte. In gewisser Weise spiegelt Snejdr das Dilemma der bröckelnden Aura des Projekts Death In June wider, denn wer sich mit dem Konzept der Band von Beginn an auseinandergesetzt hat, kann in jüngerer Zeit wohl nur schwer Anklänge jener magisch-poetischen bis okkult-ruchlosen Ambivalenz wiederfinden, die die Band so vereinnahmend und interessant gemacht haben. Und wohl oder übel muss man sich fragen, wann bei Snejdr die Entzauberung einsetzen und ihre Grantigkeit P. den nächsten illoyalen Wegbegleiter verbraten haben wird.
Gewiss finden sich auf „Peaceful Snow“ auch sehr gute Momente, vielleicht gar ein paar Songs, denen in einer Best of Death In June-Liste ihr Platz gebührt, die aber in einer halbherzig zusammengeflickten Flut an synthetischem Klaviergeklimper und altersschwachen Lyrics untergehen - ein paar nette Delay-und Stereo-Effekte hier und da lindern, können aber auch nicht retten.
Eine unnötige Flut auch auf der limitierten Bonus-Disc „Lounge Corps“. Snejdrs oben angesprochene Klavier-Nachvertonungen sind der Inhalt und man fragt sich, warum das unter dem Label „Death In June“ verkauft wird. Ganz abgesehen davon, dass es wesentlich interessanter gewesen wäre, ein paar ausgewählte, aber dafür ausgefeilt arrangierte Stücke vorgesetzt zu bekommen, als eine endlose Schleife in ewig gleicher Herangehensweise.
Es ist weniger der eingeschlagene Pfad, als vielmehr die nicht sehr durchdachte und überlange Umsetzung, die das Album zu einer Enttäuschung werden lassen. Für einen Newcomer wäre „Peaceful Snow“ vielleicht ein gelungener Einstieg, für Douglas P. ist es eher fortschreitende Demontage. Welcher der Herr in letzter Zeit immerhin mit einem sympathischen Zaunpfeilwink auf seine umtriebige pornografische Darstellertätigkeit zur Hervorhebung des libertinen Charakters seines künstlerischen Schaffens entgegentritt – aber vielleicht ist auch das nur, genau wie das Schönreden des neuen Albums als „Totenpop“, autobiographisches Konstrukt und nachträgliche Rechtfertigung für wie auch immer gelagerte persönliche Befindlichkeiten. Die, so fürchte ich, immer weniger Leute interessieren.
Trackliste
- Murder Made History
- Fire Feast
- Peaceful Snow
- Life Under Siege
- A Nausea
- Wolf Rose
- The Scents Of Genocide
- Red Odin Day
- My Company Of Corpses
- Cemetary Cove
- Our Ghosts Gather
- Neutralize Decay
- The Maverick Chamber
- Leopard Flowers
- Hail! The White Grain
- Break The Black Ice
- The Glass Coffin
- Kameradschaft
- Luther's Army
- She Said Destroy
- Heaven Street
- Jesus, Junk And The Jurisdiction
- Runes And Men
- But, What Ends When The Symbols Shatter?
- The Enemy Within
- Fall Apart
- Rose Clouds Of Holocaust
- Idolatry
- Golden Wedding Of Sorrow
- To Drown A Rose
Kommentare
als bescheidener verfasser obiger kritik möchte ich die hier stehenden anmerkungen nicht unkommentiert lassen:
1) ja, genau! eine neue down in june muss her!!!
2) musik ist letztendlich geschmackssache und walter hat mehr als das recht darauf, genau das, was für mich gegen die platte spricht, als argument dafür zu sehen. möglicherweise wird douglas p.s konsequent sture haltung, sofern er sie bis zum bitteren ende einhält, sein schaffen und auch diese scheibe irgendwann in einem besonders interessanten licht erscheinen lassen.
3) in zusammenhang mit dem adjektiv "heuchlerisch" empfinde ich den begrriff "gutmensch" nicht als problematisch. auch "freak" würde ich als wertneutral sehen, ist es doch einer von jenen pejorativen begriffen, die in pop- bzw. subkulturellem kontext eine positive aneignung und neubewertung erfahren haben (wie in etwa "nigger).
4) es gibt wohl nichts öderes, als sich wegen verschiedener (musik)geschmäcker in die haare zu geraten.
5) eine neue down in june ... eh schon wisssen ...
weshalb glaubst du das ?! weil du es glaubst zu verstehen was walter vermitteln wollte ? oder glaubst du, daß andere leute das glauben was du glaubst ? =;-)
also "gutmensch" finde ich persönlich auch ein polemisches unwort, aber ich glaube die meisten von uns verstehen walters kritik an tibet schon richtig.
und "freaks" ist in seinem kommentar absolut korrekt verwendet, genau das tut er ja. die bezeichnung "freaks" ist ja auch nicht negativ konnotiert verwendet worden.
pauli, pauli ... danke, mein blutdruck ist niedrig. die abfälligen bemerkungen von walter sind mit sicherheit nicht positiv gemeint - wie auch das wort "freaks". ob du es anders meinst zählt hier nicht, da du das posting nicht geschrieben hast =;-)
cheers, otto
Na geh - lieber Hr. Stranger,
jetzt nehmens das alles doch nicht so ernst.
Ist ja auch nicht gut für den Blutdruck.-))
Und außerdem: in meiner Sprachpflege ist "freak" per se noch nix Abwertendes. See you soon!
@ walter: böse worte, böse worte ... heuchlerisch ? gutmenschentum ? altkatholischem gesudere ? freaks ? ... also das hat er absolut nicht verdient ! ich bin sehr froh, daß es "gutmenschen" (pah - was für ein gschissenes wort) gibt ! meist ist es doch nur der neid oder die eigene faulheit, wenn man personen als gutmenschen bezeichnet, aber das ist ansichtssache ... wie tibet hat auch pearce unterschiedliche gäste (oder wie du sagst "freaks") im hut. manche sind gut, andere wieder nicht, sie aber als freaks zu bezeichnen, ist unter aller sau, wie ich finde und eine beleidung der künstler. wenn dir tibet so am arsch geht, dann höre ihn einfach nicht. das reguliert den blutdruck und man muß keine beleidigungen loslassen. das hat er wirklich nicht verdient. und anscheinend hat er dir irgendwann mal doch gefallen ....
Gutes Review..am schlimmsten find ich auch den billigen synthetischen Pianosound....und die belanglose Klimperei..von der Idee hätte das Album ja wirklich gut werden können....
Dann doch lieber Current 93.....!!!
Es sollte lieber ein neues Album von Down in June raus kommen!
ich finde die platte ausgezeichnet! auch ist mir der herr pearce in all seiner verkrampften verbitterten altherrengrummelei bald lieber als der tibet, dessen heuchlerisches gutmenschentum gepaart mit altkatholischem gesudere geht mir schon länger auf die nerven. auch die tatsache, dass er sich gern mit (unterschiedlich talentierten) freaks schmückt, um von der eigenen langweiligkeit abzulenken. aber zurück zu dij: ich finde die letzten platten durchaus sehr fein, man darf sich halt keine wiederholung von heaven street erwarten. die bonus cd fände ich zwar schöner mit stimmbegleitung, aber selbst sie läuft angenehm im hintergrund. ich find das cool, dass der douglas sich doch immer wieder neu definiert, und wenns der tibet hundertmal vorher gemacht hat, die besser stimme hat immer noch der herr pearce!