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„Les Sentiers Éternels“, die ewigen Pfade. ART ABSCON hat sie während der letzten Monate ausgiebig mit Gnomonclast beschritten, und vorliegendes Album scheint so etwas wie ein vorläufiges Resümee dieser Zusammenarbeit zu sein. Dann ist es (v.a. in der jetzt vorliegenden LP-Version) ein Gesamtkunstwerk unter Beteiligung des Malers, Illustrators und Fluxuskünstlers Reiner Langer. Und nicht zuletzt ist es auch die Bühne für den Ersteinsatz des SPEKTRALOPHONEs, eines von ART ABSCONs entwickelten Synthesizers.

Musikalisch und textlich bewegt sich „Les Sentiers Éternels“ auf gewohnt hohem ABSCONs-Niveau -  stilistisch durchwachsen, ideenreich und konzeptuell -,  und dennoch mag es für den einen oder anderen Hörer gewöhnungsbedürftig sein. Es ist in vielen Phasen das vielleicht bislang liedermacherischste Album ABSCONs, was wohl der Zusammenarbeit mit Gnomonclast geschuldet ist.

In deren Geist präsentiert sich auch gleich der Opener „Die Zeit ist tot“ (eine Quasifortsetzung vom großartigen „Es ist Zeit“?) als stimmige Folkmeditation. Auch sonst ist einer der hauptsächlichen gemeinsamen Nenner Folk, und zwar in einer eigensinnigen apokalyptisch-psychedelischen Spielart. Immer wieder werden Songs durch sitareske Sphärenklänge eingeleitet, geraderecht in ewige Erdbeerfelder voll orange-roter Bohnen hineingezogen, die im Lichte eines Morgen, das nie zu wissen scheint, formidable Referenzpunkte ergeben. „Wiederkehr“ ist so ein Moment oder auch, auf eine noch eindringlichere Art und Weise, „Ruhe“, ein mehr als würdiger Abschluss des Albums, ein überschäumendes Gebräu aus (Neo-)Folk, psychedelischer Zeitreise und Industrial-Sprengseln; gar nicht zu sprechen davon, dass die Vocals von N2 ItinitI verdammt nach Wedding Presents David Gedge klingen.

Doch zurück zu Beginn und Mitte. Gleich der zweite Titel „Das seltsame Jahr“ ist ein wahrlich seltsames Gimmick, das zwischen einer lässig orientalisch mäandernden Beatstruktur in den Refrain – bitte festhalten! –   Eurodance-Heiterkeit gepackt hat, eine Minimalportion schelmenhafte Albernheit, wenn man so will. „Die Schwarzen Schlüssel“ legt allmählich Schicht für Schicht über eine naiv schlichte Piano-Melodie, die schließlich in tröpfelnden Synthesizer-Dissonanzen mündet. „Das Buch des Gesetzes“ will spätestens ab seiner zweiten Hälfte vor allem eines:  Die Frage, ob Neofolk auch jazzig eingespielt werden kann, mit einem eindeutigen Ja beantwortet wissen.

Im Geiste Wolfram von Eschenbachs stehen zwei der anmutigsten Songs, „Parzival“ und das formell wahrscheinlich schönste Lied des Albums, das Elsterngleichnis „Agelstern Varwe“. Letzteres ist (nachdem auf „Der verborgene Gott“ mit „Erscheinung!“ eine Death In June-Referenz vertreten war) eine prickelnde Current 93-Hommage (an dieser Stelle sei auf das Gnomonclast-Parallelprojekt Valence verwiesen); irgendwo zwischen „The Frolic“, „The Bloodbells Chime“ und „Immortal Bird“, Gänsehautfinale inkludiert. „Parzival“ wiederum funkelt wie ein kleiner Edelstein, glänzt und sonnt sich im märchenhaft entrückten Licht einer Sonne, die nur für die Liebenden zu scheinen scheint.

„Lichtpunkt des Schwebens“ packt seine Poesie in Marschrhythmus. Erstaunlich anders und frisch: „Der Stern“, eine vitale Electronica-Mini-Stöhn-Oper im Zeichen der Sieben. Und in der Mitte von allem thront der Titeltrack, eine Durchmischung und Durchdringung von allem, denn „alles kann sein“. Und auch nicht. Ein Spiel.

Und so ist das Album insgesamt ein eklektischer Guss, der  seinem Folk mehr das Prädikat apokalyptisch und psychedelisch als neo umhängt, das Ausloten unterschiedlicher Musikstilmittel als Tugend sieht und Pathos als Qualitätsmerkmal, nicht Pejorativum versteht. Wenn man etwas kritisieren möchte, dann vielleicht das: ART ABSCONs ist ein Meister der mystischen Poesie, jongliert elegant in einem lyrischen Vexierspiel mit gewichtigen Wörtern und Gegensätzlichkeiten und scheut vor allem den Reim nicht.  Es darf gefragt werden, ab wann der inflationäre Einsatz dieser Gaben beginnt; meiner Meinung nach gerade noch nicht, doch Vorsicht könnte geboten sein. Man kann jedenfalls hoffen, dass dies nicht passiert und gespannt sein, welch zauberhafte Gleichnisse der Meister noch auf Lager hat und bis dahin der Magie des aktuellen Werks erliegen.

Wer „Les Sentiers Éternels“ nicht als LP erstehen mag oder kann, hat drei Möglichkeiten: Auf die für diesen Herbst angekündigte Veröffentlichung der CD-Version warten, das Album auf seiner Bandcamp-Seite anhören oder dort gleich im digitalen Format beziehen.
 

Trackliste

  1. Die Zeit ist tot
  2. Das seltsame Jahr
  3. Die Schwarzen Schlüssel
  4. Das Buch des Gesetzes
  5. Agelstern Varwe
  6. Les Sentiers Éternels
  7. Parzival
  8. Lichtpunkt des Schwebens
  9. Wiederkehr
  10. Der Stern
  11. Ruhe
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