Stephen Mallinder und Richard H. Kirk gründeten 1974 die Band Cabaret Voltaire. Ihr Einfluss auf die gesamte Musikszene von damals kann gar nicht hoch genug bewertet werden. Stephen Mallinder, der Sänger der Gruppe, kommt Ende Oktober mit seiner neuen Band exklusiv und zum ersten Mal nach Wien. Anlass genug, um dieser lebenden Ikone ein paar Fragen zu stellen.

Cabaret Voltaire waren neben Throbbing Gristle eine der Protagonisten der Industrial-Szene. Während TG Extreme ausloteten, waren die Cabs mehr am Detail und am Experimentieren interessiert. Würdest Du dem zustimmen, und habt ihr Euch als Industrial Act gesehen?

Wir haben uns nie Industrial genannt. Das war ein Begriff, den TG ihrem Label zugeordnet hatten. Aber da wir aus einer industriellen Stadt (Sheffield) kamen, war es eine praktische Etikette für Journalisten. Ich denke, wir haben ähnliches gemacht wie Throbbing Gristle, aber auf andere Art. Wir hatten andere Referenzen. Aber die Leute vergessen oft "Hot on the Heels of Love" oder "United", TG wussten schon auch, wie man populäre Musik machte!

Ihr wart zu Beginn ein Trio. Wie hat sich Eure Arbeitsweise geändert, als Chris Watson die Band verließ? Habt ihr neue Rollen angenommen innerhalb der Band?

Ich glaube, wir haben uns nicht bewusst verändert, aber wenn man jemanden verliert, verschieben sich die Rollen automatisch. Ich glaube, Richard wollte sowieso mehr Keyboard Player werden. Außerdem hat sich die Technologie damals stark verändert, es gab also eine Synchronizität. Es wurde auch mehr fokussiert, als wir nur mehr zu zweit waren.

Viele Fans lieben eine Cabaret Voltaire-Phase besonders. Ich würde eine Einteilung in "Frühe Jahre/Rough Trade" - "Virgin Jahre/Crackdown" - "EMI Jahre/Groovy" und "Späte Jahre/IDM" vornehmen. Hast Du eine dieser Phasen am liebsten?

Ich tendiere eher dazu, das als kontinuierliche Progression zu sehen, aber natürlich sind das identifizierbare Phasen, die oft auch von unseren Labels mitgeformt wurden, weil sie einen gewissen Sound von uns erwarteten. Es war sozusagen unsere Antwort auf den sich verändernden Kontext. Aber wir hatten immer einen Zugang, mit der Zeit zu gehen, also haben wir uns auch verändert, als sich Technologie und Kultur veränderten. Wir waren einfach geprägt von der jeweiligen Zeit. Nicht mehr hinter der einen oder anderen Phase zu stehen wäre sinnlos.

Du hast ein Soloalbum herausgebracht, "Pow Wow". Hast Du danach jemals wieder solo gearbeitet?

Ich habe das eine oder andere Stück noch gemacht, bin aber nie gerne allein im Studio gesessen. Für mich is Musik Zusammenarbeit. Ich liebe gegensätzliche Positionen und wie sie sich gegenseitig beeinflussen.

Irgendwann in den Neunziger Jahren bist Du nach Australien gegangen. Was hat ich dazu veranlasst?

Ich war pleite, hatte meine Wohnung verloren und hatte zwei Kinder. Richard und ich brauchten auch eine Auszeit voneinander. Die Idee, alle 12 Monate 3 CDs rauszuwerfen, fand ich nicht mehr ansprechend. Man muss sich immer wieder neu erfinden und nach neuen Erfahrungen suchen.

Cabaret Volatire hatten ein Label namens Doublevision. Der Konzertabend in Wien ist quasi auch eine Hommage daran. Kannst Du uns ein wenig darüber erzählen?

Doublevision hat uns damals Freiheiten erlaubt, als wir den Vertrag mit Virgin unterschrieben haben, so gegen 1982. Man muss ihnen das sehr zugute halten, dass das für sie OK war, obwohl wir bei ihnen unter Vertrag waren. Eigentlich wollten wir hauptsächlich Filme und Videos veröffentlichen, die Platten sollte da nur dazupasse. Aber dann hatten wir auch Leute wie Lydia Lunch.

In Australien hast Du dann ein neues Label gestartet, Offworld Sounds. Du hattest auch zwei neue Projekte, Ku-Ling Bros. und Sassi & Loco. Inwiefern unterscheiden sich diese Bands von Cabaret Voltaire?

Es waren ganz andere Umstände und ich wollte ein Label machen, auf dem auch andere Musiker veröffentlichen sollten. Wir hatten so an die 30 Releases, und mein Zeug war da einfach ein bisschen Spaß mittendrin. Ich wollte auch, dass das Label international ist, also haben wir neue Musik aus Amerika, England und Australien veröffentlicht. Ich wollte mich auch neu erfinden und mir beweisen, dass ich nochmal ganz von vorne anfangen konnte.

Jetzt lebst Du ja wieder in England. Was spielt sich da musikalisch bei Dir so ab?

Ich habe ein paar Projekte laufen. Einerseits arbeite ich mit dem wundervollen Captain Steve Cobby als Hey,Rube, das ist eine ziemlich heterogene musikalische Entität. Wir mögen beide ganz unterschiedliche Arten von Musik und nehmen miteinander auf, wenn wir Zeit haben, Meistes kugeln wir uns aber eher vor Lachen auf dem Boden. (Unser erstes Album kommt übrigens gerade raus). Und dann gibt es noch Wrangler mit einem anderen alten Freund namens Phil Winter von Tunng, und Benge, der ein wirklicher elektronischer und analoger Zauberer ist - am bekanntesten ist er als The Math, die andere Hälfte der neuen Band von John Foxx.  Es läuft phantastisch, wir haben eine extrem gute Chemie miteinander.

Wenn Du jetzt so auf Cabaret Voltaire zurückblickst, wie siehst Du das dann? Viele Leute sehen Euch als extrem einflußreich. Bereust Du irgend etwas?

Oh nein, ich bereue gar nichts! Das alles ist das Leben. Cabaret Voltaire ist ein sehr wichtiger Teil meines Lebens und ich bin auf alles stolz, was wir gemacht haben, weil wir es aus den besten Motiven heraus gemacht haben. Wir heben eine Menge Sounds kreiert und auch dazugehöriger Images, da war unser Zugang damals sehr neu. Wenn wir ein paar Leute damit beeinflusst haben, würde mich das freuen, ich wäre stolz, denn dann hätte das alles einen Sinn gehabt.

Cabaret Voltaire waren ja leider nie live in Wien zu sehen. Was kann man jetzt von der Show im Replugged erwarten?

Das müssen andere bewerten. Aber wir werden hoffentlich eine Menge guter elektronischer Musik spielen.

 

Am 27. Oktober im Replugged: Wrangler feat. Stephen Mallinder live in Wien - siehe Termine

 

Nag Nag Nag

Sensoria:

Wrangler - Shatterproof