Zwei Festivals locken in den Norden - beide haben lange Tradition und bringen Bands, die man hierzulande so gut wie nie live erleben kann: Das Wroclaw Industrial Festival (Polen) und das BIMfest (Belgien).

Das Belgische BIMfest (Belgian Independent Music Festival), mit Fokus auf EBM, findet im wunderschönen Antwerpen statt, am 14. und 15. Dezember. Im zehnten Jahr des Bestehens haben die Veranstalter auch dieses Mal ein veritables Line-Up zusammengestellt, das mit den Headlinern Peter Hook & The Light und vor allem Test Dept: Redux lockt. Neben besagten Acts gibt es auch Blancmange, Icon Of Coil, Portion Control, The Invincible Spirit, Underviewer und weitere Bands zu sehen.

Wobei die Reunion von Test Dept. wahrscheinlich allein schon ein guter Grund wäre, hinzufahren, das klingt sehr vielversprechend!

Im Line-Up nicht zu finden ist übrigens Dirk Ivens, was verwunderlicht stimmt, spielt er doch eigentlich bei fast jedem Festival mit EBM-Kontext, naja, vielleicht kommt er ja noch als DJ zu Ehren.

Gleich mit zwei Auftritten ist das Polnische Projekt Job Karma vertreten - denn auch Matt Howden ist mit dabei, und so gibt es neben dem Haupt- auch das Nebenprojekt 7JK zu bestaunen, was für Leute, die dem noch nicht beigewohnt haben, auf jeden Fall ein Erlebnis ist.

Alle Infos zum BIMfest finden sich über diesen Link.



Ein Teil von Job Karma ist ja übrigens Maciek Frett, der auch bei einem ganz besonderen Polnischen Kollektiv beteiligt ist: jährlich stampft die "art & industrial gallery" ein Festival aus dem Boden, das in dieser Form wohl einzigartig ist:

Das Wroclaw Industrial Festival findet dieses Jahr zum 11. Mal statt, und wieder finden sich im Line-Up Namen, die man zwar vielleicht einzeln auch anderswo sehen kann, aber die Gesamtheit der Acts ist überwältigend.

Als Headliner wurden heuer Boyd Rice / NON und The Klinik angekündigt, wobei ich finde, dass mindestens das halbe Line-Up aus Headlinern besteht.

Mit einem sehr ursprünglichen Verständnis des Begriffs Industrial gehen die Veranstalter immer mit einem sorgfältig ausbalancierten Programm in das viertägige Festival - Hauptfokus dabei liegt natürlich auf den Tagen Freitag und Samstag, wo die meisten der Acts in der Gothic Hall spielen.

What is exactly a phenomena called industrial culture? It is a fascination of
modern technology and also afterthought on its consequences. It is perception of machine as a complex organism, sometimes with awe of its form and complexity, but also a fear of industrialization and technicalization of society.

Die Location wurde ja schon öfter hier beschrieben - sie ist mit einer der Gründe, warum das Publikum dort sich so wohl fühlt und gefühlte 75% der Leute Stammgäste sind. Die etwa 500 Leute fassende Halle bietet ausreichend Platz, und auch von der Galerie (wo die zahlreichen Merchandisestände sind) kann man hervorragend auf die Bühne sehen.

Dieses Mal gibt es wieder ein breit gestreutes Programm - von Darkfolk und 80'er New Wave über Avantgarde und Experimentelles bishin zum brachialen Noise ist alles vertreten.

Tickets (via wiftickets@gmail.com ):

  • 4-Tages-Ticket: 46€
  • Einzeln für Freitag oder Samstag: € 28,- (VVK 25,-)
  • Nur Party am Sonntag: 6€

Donnerstag, 08.11., 19h (Music Space Puzzle, Hauptplatz):

  • Warm-Up Party:
    11 (PL)
    Radio Royal (CZ)
    DJ Paradroid (D)

Freitag, 09.11., 19:00 (Gothic Hall - Purkyniego 1)

  • Boyd Rice / NON (US)
  • Section 25 (UK)
  • Portion Control (UK)
  • Ait! (IT)
  • The Juggernauts (BE)
  • Sardh (D)
  • Scattered Order (AUS)
  • DDAA (FR)

Samstag, 10.11., 19:00 (Gothic Hall - Purkyniego 1)

  • The Klinik (BE)
  • ROME (LUX)
  • Winterkälte (D)
  • La Nomenklatur (F)
  • Tzolk'in (FR/BE)
  • 7JK (UK/PL)
  • Wieloryb (PL)
  • Nonstate (PL)

Sonntag, 11.11., 19:00 (Music Space Puzzle, Hauptplatz)

  • After Party:
    DJ Disorder (D)
    DVJ Mniamos (PL)
    DJ Eric (D)

Ein paar der interessantesten Acts hier noch im Detail:

Boyd Rice alias NON ist wohl einer der umstrittensten Künstler der Noise-/Industrial-Szene. Als NON hat er Musikgeschichte geschrieben, seine ersten Veröffentlichungen (in der Anfangszeit bei Daniel Miller's Label Mute Records) sind nach wie vor Meilensteine im Experimental/Noise-Bereich.

Pagan Muzak, eine 7"-Single mit mehreren Mittelbohrungen, in sich geschlossenen Endlosrillen und der Aufforderung, sie bei jeder beliebigen Geschwindigkeit abzuspielen, ist legendär.

Mit seinen späteren Aktivitäten, Kollaborationen und Auftritten hat er sich viele Feinde gemacht, was wohl mit seine Intention war - und ihn als Person vollständig mystifizierte.

Live-Performances von Boyd Rice sind extrem und aufwühlend, man darf also gespannt sein, was er sich für Polen überlegt hat! Auch ein neues Album hat er im Gepäck - "Back To Mono" wird am 6. November veröffentlicht.

The Klinik, ein weiteres der vielen Projekte von Dirk Ivens, gilt ebenfalls als Headliner. Als eines der bedeutendsten Projekte der EBM-Zeit neben Front 242 und The Neon Judgement, ebenfalls aus der Cold Wave / Minimal-Szene kommend, haben sich 2009 Dirk Ivens und Marc Verhaegen aus der Urbesetzung mit Peter Mastbooms für audiovisuelle Live-Unterstützung zusammengetan und sind Garant für entsprechend anspruchsvolle Auftritte.

Scattered Order (eine Woche später auch in Wien zu sehen) sind wohl die exotischsten Künstler des Festivals. Erstmals ausserhalb Australiens auf Bühnen zu sehen, sind sie auf Europatournee, die sie auch nach Wroclaw bringt. Noise vs. Post Punk, kraftvoll und laut.

DDAA (Déficit Des Années Antérieures) aus Frankreich können gerne in einem Atemzug mit Künstlern wie Nurse With Wound, Can oder The Residents genannt werden, in den frühen Achtzigern waren sie Protagonisten der Französischen Industrial/Avantgarde-Szene, und können nur mit holprigen Genrekopplungsversuchen beschrieben werden: lo-fi-no-wave, avant-punk, improv-industrial... ein absolutes Highlight!

Section 25 aus England haben sich erst vor kurzem neu erfunden - die aus dem Joy Division/Factory Records-Umfeld stammende Band hat nach tragisch bedingten Besetzungsänderungen zu einem neuen Stil gefunden, der die ursprünglichen Sounds und Stücke sehr schön in die heutige Zeit transportiert. Einer der poppigsten Acts auf diesem Festival! "Looking From A Hilltop", ihr größter Hit, wird ganz sicher mit im Set sein!

ROME, das luxemburgische Projekt rund um Jerome Reuter, das in den letzten Jahren eine Wandlung vom Darkfolk zum Dark Chansons und letztendlich zu einer Mischung aus beiden durchzogen hat, ist wiederum wohl einer der ruhigsten, besinnlichsten Acts am Festival... außer natürlich man passt das Set den Festivalmotto an und geht in die lärmige Richtung, was sicher keine schlechte Idee wäre, denn ihre Frühwerke sind für Fans wohl live interessanter als späteres Material.

... und weil Musik am besten gehört wird, als darüber gelesen, haben wir euch eine Playlist für das diesjährige Line-Up zusammengestellt.

Viel Vergnügen!