
In den Achtziger Jahren gehörte der Kauf von Samplern zu den einfachsten Methoden, neue Bands kennenzulernen. Wo man heute auf Youtube oder Myspace reinhört, wenn man wissen will, wie eine Band klingt, so besorgte man sich anno dazumal eine neue Compilation mit teilweise bekannten, und fast immer teilweise unbekannten Bands. Zumeist waren diese Sampler sehr genrespezifisch angelegt - entweder als Überblick über die Aktivitäten eines Labels (Flowmotion Sampler, Earthy Delights Sampler), oder als Präsentation eines gewissen Stiles (This is Electronic Body Music).
Manchmal gab es aber auch überraschende Zusammenstellungen. Eine davon ist vor kurzem auf dem englischen Label Cherry Red wiederveröffentlicht worden. "Perspectives and Distortion" erblickte 1981 das Licht der Welt. Ein gewisser Mike Alway, wer auch immer er sein mag, war für die Auswahl der Tracks verantwortlich. Die originalen Liner Notes meinten damals, die Compilation entziehe sich jeglicher Klassifizierung, und lasse die Musik für sich selber sprechen. Natürlich waren und sind alle vertretenen Künstler dem Bereich Avantgarde zuzuordnen. Doch so weit dieser Begriff gespannt ist, so groß ist auch die Bandbreite der Styles auf "Perspectives and Distortion". Lol Coxhill, einer der bis heute am bekanntesten britischen Freejazzer ist darauf genauso vertreten wie Matt Johnson, besser bekannt unter dem Projektnamen "The The". Dessen Nummer klingt wie ein Outtake aus seinem ersten und einzigen Soloalbum, ebenso dem Bereich Wave/Rock zuzuordnen ist der Beitrag der großartigen "Eyeless in Gaza". Martyn Bates und Peter Becker sind nach wie vor aktiv und gehören in die lange Liste verkannter und unterbewerteter Künstler.
Psychedelischer Rock findet sich auf PaD auch. Robert Fripp, Gitarrist der legendären King Crimson ist genauso vertreten wie Mott the Hoople-Pianist Morgan Fisher. Mott the Hoople sind diese Band, deren Siebziger Jahre-Hit "All the young dudes" zu hundert Prozent nach David Bowie klingt (kein Wunder, hat Bowie die Nummer auch für sie komponiert). Weiters geigen Kevin Coyne und Ben Watt auf (letzterer die männliche Hälfte des britischen Duos "Everything but the Girl"). Bisher klingt das ja alles recht stimmig. Was den Sampler aber so aussergewöhnlich macht, ist, dass neben all den genannten auch noch eine Menge wirklich schräger Bands vertreten sind. Karl Blakes und Danielle Dax's "Lemon Kittens" steuern einen ihrer wenigen Sampler-Beiträge bei, ebenso die United Dairies-Obskuranten "Two Daughters" (Nurse With Wound-Umfeld) oder der Londoner Eigenbrötler David Jackman. Dessen Nummer ist eine frühe, sehr noisige Arbeit und hat recht wenig mit seinem späteren Werk als Organum zu tun.
Elektropop kommt von Thomas Leer, bekannt vor allem durch seine Zusammenarbeit "The Bridge" mit Robert Rental, New Wave/Postpunk von der Gruppe Fixe or Six oder den legendären Virgin Prunes. Alles in allem ein wilder Ritt durch die verschiedenen Subkulturen Englands am Beginn der Neunzehnachtziger. Und überraschenderweise findet das alles letztenendes dann doch irgendwie zusammen, und man hat nicht den Eindruck, ein zu heterogenes Album in Händen zu halten. Vielleicht ein weiterer Beweis dafür, dass Genres und Labels im Grunde doch nur Unsinn sind und alles nur Musik ist.
Einige Videos der beteiligten Künstler:
http://www.youtube.com/watch?v=cd9N2q6e7-Q&feature=related
http://www.youtube.com/watch?v=vzKe2gTx-EA
http://www.youtube.com/watch?v=eRbQxLQg5FI
http://www.youtube.com/watch?v=vnYcdjB5Wp4
Trackliste
- Claire Thomas And Susan Vezey: Bright Waves
- Matt Johnson: What Stanley Saw
- Virgin Prunes: Third Secret
- Lol Coxhill: The Calm
- Lemmon Kittens: ...In Wooden Brackets
- Eyeless In Gaza: You Frighten
- Kevin Coyne: Hello Judas
- Mark Perry: Dear, Dear
- Ben Watt: Departure
- Two Daughters: Return Call / We Are
- Kevin Harrison: People In Space
- Thomas Leer: Kings Of Sham
- Five Or Six: Folded
- Morgan-Fisher: Foreign Correspondent
- Robert Fripp: Remorse Of Conscience
- A. Tent: No Way Of Knowing
- David Jackman: Untitled
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