"You are 75% dead" - diese fröhliche Botschaft entsendet Tho-So-Aa , das Projekt des mittlerweile in München residierenden Lutz Rach auf dem aktuellen Album "Identify", das schon in der Aufmachung einen recht spröden, düsteren Charme versprüht.
Vorab - "Identify" ist kein Album für Parties - die Qualitäten dieses Werks, an dem Tho-So-Aa sieben Jahre gearbeitet hat, liegen ganz woanders - im Aufbau alptraumartiger Klangwelten und bedrohlich-deprimierender Atmosphäre. Das nullte (sic!) Stück "(Meta)" stimmt gleich optimal auf das Album ein, eine durchgehende, getragene Klangwolke mit vereinzelten klackernden, mechanisch anmutenden Samples und Drone-mäßig wenig Abwechslung macht den Auftakt.
Hoffnungslosigkeit macht sich breit bei "Is It Worth?", bei dem sich eine ziemlich nach Kirche klingende Orgel gegen das trübe Soundgebilde durchzusetzen versucht... aufkommende Gewitter-ähnliche Brummkaskaden (es fällt sehr schwer, das besser zu beschreiben) verhindern dies jedoch, und wer sich auf Interpretationen einlassen möchte, findet dazu Möglichkeiten an der Zahl.
Sehr einnehmend und eindrucksvoll läuft das Album dahin, es fällt schwer, sich aus dem Bann zu lösen. Gerade das Abstrakte, unbestimmt Bedrohliche in den Sounds versetzen den Hörer in eine etwas losgelöste, je nach Konstitution einengende und unheilschwangere Stimmung... Liebhaber von Drone, Ritual und Dark Ambient kommen voll auf ihre Kosten, denn man merkt dem gesamten Album die Zeit an, die notwendig war, um diese Klanggebilde zu perfektionieren... genau das richtige Maß an Instrumentierung, Dramatik und aber auch Monotonie wurde hier eingesetzt, um die beabsichtigte Trostlosigkeit, die Kraft darin und auch das Erkennen zu ermöglichen: Tho-So-Aa beschreibt eine hoffnungslose Welt, die es erst zu erkennen gilt.
Sehr abstrakt und nur andeutungsweise wird Kritik geübt, das wieder mehr in Drones badende "Death Penalty" gilt wohl als Denkanstoß, die Sprachsamples, die von einem "16 year old kid sentenced to death" erzählen, geben dabei die Richtung an.
"Abused", Stück 5 auf dem Album, und meiner Meinung nach das beste Stück auf dem Album, bringt musikalische Gnadenlosigkeit ins Spiel, und insgesamt ändert sich ab hier die Gangart.
Das Stück kippt es immer mehr in Richtung Industrial, es wird verspielter, abwechslungsreicher, und braucht nicht sehr viele Elemente.
"The Ritual" klingt vergleichsweise engelhaft, der düstere, negative Grundton wird zurückhaltender, man vermisst ihn fast schon... mit "Marching To Your Destiny" schleicht sich gar so etwas wie Rhythmus und Melodie ein, bevor mit "I Finally Made It" ein Ende der Reise in möglicherweise gar nicht so wohlige Gefilde bereitsteht.
Insgesamt ein sehr gutes Album, für das man natürlich erst in Stimmung sein muß.
Viele Elemente wollen erkundet werden, es bietet sich ein Hören bei entsprechender Lautstärke an.
Lutz Rach war so nett uns ein paar Fragen rund ums Album und sein Projekt Tho-So-Aa zu beantworten:
"Identify" klingt bedrohlich, unheilverkündend und durchwegs düster, die verwendeten Samples und Sounds verkünden nicht gerade Erfreuliches, sondern beispielsweise über einen 16jährigen, zum Tode verurteilten - wofür steht das Album als Ganzes, verfolgt es ein Konzept?
Ich muß zugeben, dass Identify letztendlich wesentlich bedrohlicher wirkt als ich es vorerst geplant habe. Aber so ist das nun mal.
Das Album handelt von der Pflicht, dich mit deiner Gesellschaft und Umgebung zu identifizieren und den versteckten Zwängen, die damit verbunden sind. Sei es jetzt im Beruf, sich der Politik zwangsläufig zu unterwerfen oder mit dem Strom deiner Freunde zu schwimmen. Ständig wird einem außerdem in den Medien was von Freiheit vorgegaukelt, die aber eigentlich nicht existiert. Egal was du machst, egal wie frei du dich bewegst, irgendwo gibt es immer Einschränkungen und Eingrenzungen. Um damit zurechtzukommen muss man sich sagen: „Das muss so sein“. Die Menschen machen das unbewusst, deswegen reden sehr wenige darüber.
Die verwendeten Samples stammen von Häftlingen und können ohne Mühe auf das normale Leben, so wie wir es kennen, interpretiert werden. Ich finde das irgendwie bedenklich.
Identify ist das erste Full-Length-Album seit "Minus" 2004, wenn ich richtig informiert bin. Hast du länger daran gearbeitet, was geschah in den 5 Jahren dazwischen?
Ich habe mich meinem Leben unterworfen. Ich habe viel gearbeitet, habe mich dem Konsumwahn hingegeben , viel Geld ausgegeben und Freundschaften gepflegt.
Was sind deine Einflüsse, bzw. wo siehst du deine Musik "genretechnisch"?
Ich bin eigentlich kein Freund von Kategorien. Dafür sind Musikmagazine da, die werden für so was bezahlt. Die meisten Hörer würden Tho-So-AA bei Dark Ambient einordnen, denke ich. Warum auch nicht …. Inspirierend finde ich, auch wenn ich nicht diese Art von Musik mache, die Soundtracks von Clint Mansell, speziell der Soundtrack zu „The Fountain“ hat mich wirklich umgehauen.
Bist du bisher zufrieden mit dem Feedback?
Bisher kann ich mich echt nicht beklagen. Etwas negatives habe ich bisher noch nicht gelesen. Das einzige was mich bei einem Review gewundert hat, ist das Identify nicht leicht konsumierbar sein soll. Das empfinde ich eigentlich nicht so. Letztendlich wird das aber jeder anders sehen.
Was bringt die Zukunft bezüglich Live-Auftritten und Aufnahmen?
Es stehen demnächst Gigs in Zürich und in Leipzig an wo ich ein komplett neues Set spielen werde. Weitere Auftritte sind erstmal nicht geplant, aber das muss ja nichts heißen. Ob und wann ein neues Album erscheint, wird die Zeit zeigen......
Trackliste
- (Meta)
- Is It Worth?
- FYGDM
- Death Penalty
- Abused
- The Ritual
- Marching To Your Destiny
- I Finally Made It
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