Sol Invictus waren für mich persönlich immer die seltsamste Band aus dem Death In June/Current 93-Umfeld, Tony Wakeford's eigentümlicher (und meist nicht ganz tontreffender) Gesang hat so manchem - sonst vielleicht unauffälligen - Stück schon eine schräge Aura verliehen, die man letztendlich nur hassen oder lieben kann. Viele bemäkeln gerade seine Stimme, andere fangen mit Folk Noir schlicht und ergreifend nichts an.
Mit einiger Vorfreude hörte ich mir also The Cruellest Month an, die erste Sol Invictus-CD seit 6 Jahren. Trotz hoher Erwartung machte ich mir keine Illusionen - die letzten Veröffentlichungen konnten mich nie wirklich mitreißen, ich hing immer den frühen Alben nach, allen voran Lex Talionis, Sol Veritas Lux und überhaupt dem Debüt, Against The Modern World.
Das Album kommt in wirklich außergewöhnlich schönem Cover in Buchform, mit Illustrationen von Tor Lundvall, Lyrics und in weiß gehalten.
Und da ertönt der Opener, Raining In April, und ich fühle mich flugs 20 Jahre zurückversetzt, aber keineswegs auf nostalgische Art und Weise... alles, was Sol Invictus für mich ausmacht, steckt da drin, ein wenig Soundfitzelei, Cello - Wakeford's Stimme setzt ein, und bald folgen auch die Trommelschläge, die mich vollends in ihren Bann ziehen. Dieses Stück hat die Wucht von Black Easter, und doch bricht es nicht durch, baut einen Spannungsbogen auf, der aber leider leider leider nach nur 2:34 Minuten mit einem abrupten Ende zerfällt.
Tony Wakeford schenkt den Sol Invictus-Fans ein außergewöhnlich kompaktes, einheitliches Album, in einer Intensität, die man sich gar nicht mehr erwartet hätte.
Für reine Neofolk-Fans wahrscheinlich zu humorvoll und exaltiert, bietet sich The Cruellest Month aber doch auch recht gut für Spätberufene an, die diese Band bisher ausließen.
To Kill All Kings begeistert ebenfalls, verspielter, mit mehr Gitarren- und Percussioneinsatz, und einem Crescendo am Ende, das ich mir live fantastisch vorstellen kann.
Einen sehr prägnanten Stempel drückt Andrew King dem Album auf, die von ihm gesungenen Lieder sind diejenigen, die dem Album ein wenig Drift nehmen, wenn auch nicht auf die unangenehmste Art und Weise. The Sailor's Aria beispielsweise ist auch musikalisch spannend und wirklich ausgezeichnet.
Fools Ship ist ein Matrosenlied! Ungewöhnlich, aber nicht minder packend, packt Wakeford die Ziehharmonika aus, und fast trifft er auch die richtigen Töne, die in dem Fall eine sehr schöne Gesangsmelodie ergeben.
In ähnlicher Manier geht es mit Toys weiter, gemeinsam mit den beiden vorangehenden Stücken ein stilistischer Ausreißer, aber auch eines der besten Stücke auf dem Album, wie ich finde.
Edward, wieder eine King-Nummer, kann nicht wirklich überzeugen, umso mehr aber The Bad Luck Bird, bei dem sich überraschend ausgefeiltes Songwriting entfaltet - man kann sich das Stück auch sehr gut von Monica Richards gesungen vorstellen, ich wäre sehr dafür, das einmal auszuprobieren.
Irgendwie merkt man spätestens ab hier, dass mit dem Sound etwas nicht stimmt.. viel zu extrem drücken die Höhen und Mitten, was besonders schade ist, weil Klangbild und Abmischung sonst eigentlich überraschend gut sind, aber Gitarren und Stimme verlieren sich in einem viel zu dünnen, weil maßlos übersteuerten Sound in den hohen Bereichen. Woran das wohl liegen mag?
Ganz extrem ist es bei Something's Coming, bei dem meiner Meinung nach zwei Drittel verloren gehen, weil der Mix wirklich fürchterlich ist.
Stella Maris ist wieder ein großartiges Stück, genau wie der Titeltrack, The Cruellest Month - wenn auch Vehemenz und Kraft ein wenig zurückgeschraubt wirkt, was beim letzten Track, The Blackleg Miner, allerdings wieder zurückkommt.
Fazit: Ein großartiges Album, für mich eines der besten von Sol Invictus überhaupt, kraftvoll und "groß" - mit doch recht typischen stilistischen Ausflügen und Extravaganzen. Einzig zu kritisierendes Manko ist der Sound, der ab der Hälfte des Albums zum Teil unerträglich wird, zum Glück nicht durchgehend, aber bei zwei bis drei Liedern tut es schon weh.
Trackliste
- Raining In April
- To Kill All Kings
- The Sailor's Aria
- Fools Ship
- Toys
- Edward
- The Bad Luck Bird
- April Rain
- Cruel Lincoln
- Something's Coming
- Stella Maris
- The Cruellest Month
- The Blackleg Miner
Kommentare
Kann mich der Meinung überhaupt nicht anschließen...schlechter Sound ist für mich etwas anderes! Finde das Album toll!
es gehört tatsächlich so ... mir gefällt dieses album leider auch nicht. trotz der enormen vorfreude war ich sehr enttäuscht. zu anstrengend für mein friedvolles gemüt. zum glück gibts einen haufen anderer siv bzw. tw alben.
das ist echt seltsam, weil Tony ist ja jetzt schon ein alter hase, und einige alte SI alben sind ja echt in ordnung produziert...vielleicht g'hört das so und wir verstehen es nicht ;)
das war auch sofort mein erster eindruck: der sound ist total daneben - nach 2 mal durchhören hab ichs aufgegeben
das stimmt total mit dem sound! hab ich mir auch gedacht, da passt doch was nicht, hat herr wakeford keine funktionierenden ohren mehr im alter ;) ich befürchte fast daß da beim mastern was schief gegangen ist. so verspielt sich das album für mich leider einiges...leider nein von mir ;) aber ich geb dem werk sicher noch ein paar durchläufe. Es wäre wünschenswert wenn Sol Invitctus mal mit einem guten produzenten zusammenarbeiten würden..so geht das potential leider etwas verloren. aber trotz der jammerei hier, sicher besser als die letzten veröffentlichungen. würd mich freuen wenn die mal jemand nach wien holt. gehn ja eh auf tour im herbst.