cover front

Selten so einen feinen Media-Ordner zur Verfügung gestellt bekommen - Pressetext, Fotos, Lyrics, Gedanken zur Entstehungsgeschichte der Songs fein und übersichtlich in Unterordnern durchstrukturiert. Aber das passt ja ins Bild, denn Matt Howden ist auch in musikalischen Belangen ein gründlicher Mann, ein Tüftler, der sogar einzelne Songs als „As They Should Sound“ penibel eingeübt und neu durchdekliniert herausbringt. Matt Howden ist (verdammt, gibt es immer noch Leute, die das nicht wissen?) eine begnadet verzückte Ein-Mann-Show, die eine gut und gerne vierköpfige Band ersetzt, ein sympathisches Kraftpaket, das bislang (absichtlich?) weit unter seinem Marktwert verkauft wird. Ein Mann und seine Geige. Und das nun seit schon mittlerweile dreizehn Jahren und zehn Alben.

Sphärisch und ruhig beginnt „No Less Than All“, doch der erste Eindruck täuscht, bald schon verbreitet sich Dissonanz und nicht wenig später wabert eine bassartige Struktur in einen kantigen Querschläger von Beat. Dazu rockige Hooks, schmissiger Gesang und Legionen an verzückten Geige-Effekten. Schon nach dem ersten Track weiß man: Dies ist ein typisches Sieben-Album und doch anders. Rauer, eckiger. Nebst gewohnter Präzision und Geschmeidigkeit präzis unscharf und geschmeidig verzerrt.

Wie immer macht Howden aus wenig viel, kitzelt ein geradezu unfassbares Klangspektrum aus seinem beschränkten Instrumentarium heraus, durchzieht es mit virtuellen E- und Bass-Gitarren-Strängen, ziseliert die Beatstrukturen, lässt punktuell gar das Timbre elektronischer Musik entstehen. So wird „I Saw A Face“ mit genüsslich tänzelnden Schlagwerk-Kinkerlitzchen verziert, in „No Ordinary Life“ stampft das rhythmische Gebäude elegant vorwärts, klingt, genauso wie „He Can Delve In Hearts“, nach einer Coverversion eines längst vergessenen New Wave-Hits. Der diesmal in Form von Joy Divisions „Transmission“ auch tatsächlich vorhanden ist, und es spricht für das Album, dass dieser perfekte und perfekt interpretierte Song neben den anderen fast ein bisschen verblasst.

Die Musik von Sieben funktioniert auch deshalb so gut, weil Matt Howden eine ausgesprochen schöne Stimme hat. Melodisch, warm, sich gefühlvoll an seine Songstrukturen anschmiegend. Punktuell aber auch leidenschaftlich Hitze und Glut entfachend oder mit kühlem Zynismus unterlegt.

Noch ein paar Songs im Schnelldurchlauf: „Black Dog Day“ ist riffiges Knistern, „In A Train“ forsch und getrieben, „No Less Than All“ (Neuinterpretation eines Songs vom Album "The Line And The Hook")  verzaubert mit dezenten Dub-Effekten. Interessant die Geschichte hinter “Preacher Online”: Howden war bei einer Eigensuche im Netz auf einen Online-Evangelisten mit selbigem Namen gestossen. Mit „Vonnegut“ bekennt sich Howden zu seinem absoluten Lieblingsautor und stellt dem Song dessen markig humorvollen Telekinese-Sager („All those who believe in telekinesis raise my hand.“) voran.

Das Album endet mit einer Reprise des sphärischen Einstiegs in den Opener „Music is Light“, die neben dem Anhang „II“ ein eingeklammertes „Play Me Again“ im Titel trägt. Ein Lockmittel in die Schleife des Wiederhörens, das bei den meisten Hörern wohl kaum seine Wirkung verfehlen wird. So wie dieses Album für all die Feuilleton- und Kulturressort-Platzhirsche da draußen wohl nun endgültig Lockmittel genug sein sollte, um diesem Mann die ihm gebührende Resonanz zukommen zu lassen. Wobei, Hand aufs Herz, es ist schon ein ganz besonderes Privileg, solch ein musikalisches Juwel mit nicht zu vielen teilen zu müssen.

 

Am 17.3.2012 spielt Sieben im Rahmen des Wiener Rite-Festivals.

Trackliste

  1. Music Is Light
  2. Preacher Online
  3. I Saw A Face
  4. Vonnegut
  5. Transmission
  6. Shake The Tree
  7. Black Dog Day
  8. No Ordinary Life
  9. He Can Delve In Hearts
  10. In A Train
  11. No Less Than All
  12. Music Is Light, Part II (Play Me Again)
Weiterführende Links