cover front

Ein ganz spezielle Packung Glam entfaltet sich bei vorliegendem Werk, wenn Val Denham und Demian Recio alias Ô Paradis ihre abseitigen Vorstellungen von Pop zusammenführen und so ihre ganz eigene Art queerer Charmeoffensive starten.

Beide können ja getrost als zu Unrecht immer wieder aus dem Blickfeld Geratene bezeichnet werden: Val Denham, die (der) mal mehr und mal weniger dezente(r) Protagonist(in) der originären Industrialgegenkultur im Umfeld von Leuten wie Marc Almond, Throbbing Gristle oder The Hafler Trio, Maler(in), Cover-Gestalter(in), Sänger(in), schlichtweg Verkörperung dessen, was der von ihr eigens kreierte Begriff TRANART eben anzudeuten scheint. Und im weiteren Verlauf dem eigenen Entschluss der Selbsttransformation als –In zu Bezeichnende. Demian Recio, Vertreter einer nachfolgenden, eigentlich fast schon als Post-Post-Industrial- und damit Post-Neofolk- zu betitulierenden Kultur, von Beginn an eine der interessanteren und innovativeren und wahrscheinlich eben deswegen, weil nicht plumper Neofolk-Provokateur, nicht genügend rezipierten Figuren jener Szene.

Zusammen erschaffen sie nun ein kleines Universum prickelnder Musikgimmicks. Demian Recios Klangteppich präsentiert sich als schlüssige Mixtur aus Geräuschorientiertheit und Leichtgängigkeit, womit der Hörer angenehm gefordert und den Songs eine fabulöse Unterlage gegeben wird. Val Denham fungiert als musikalisch und lyrisch fabulierende Gastgeberin im Land des Anders- und Zwischengeschlechtlichen, wobei die zwar zentrale Omnipräsenz, aber dennoch angenehm verspielte, feine Dosierung von Transgender-Klischeehaftigkeiten als eine der eigentlichen Qualitäten des Albums zu bewerten ist.

Stilistisch schlängelt sich das Werk durch Ballade, Chanson, Dub, Industrial, Ambient, kursiert aber stets um den Fixpunkt des Popsongs per se – immerhin sind Val Denhams popkulturellen Einflüsse laut eigenen Aussagen hauptsächlich in der Musik der 1970er und Ikonen wie David Bowie, Kate Bush oder Marc Bolan zu suchen.

Mit 16 Tracks und über 57 Spielminuten ist das Album recht lang gehalten, aber jenseits von jeglichem Anflug langer Weile. Val Denhams Kompositionen schlagen zwar mitunter in wiederkehrende Kerben, Demian Recios erfrischend kontrastisierende Instrumentalvorlagen wissen diesen Umstand in einem Kraftakt der Kongenialität aber mehr als zu entkräften. Jedes einzelne Stück hat seinen Platz verdient.

Exemplarisch erwähnt seien folgende Tracks: „My Blackest Flowers“, eine verquer intime und Pein nach außen tragende Ballade, die trotzdem die Grenze geschmackloser Distanzlosigkeit nicht überschreitet. Das ähnlich gelagerte „Thinking of My Girl“, das noch mehr, auch körperliche, Intimität versprüht, aber ebenfalls bei besagter Grenze halt macht. „Glow“, das zu einem flusshaft verzerrten, rülpsend schleppenden Beat, wie er aus besten Coil-Tagen stammen könnte, lamentiert. “Now the Bottles Empty”, das  sich als schunkelnder, die ziemliche Schnittstelle zwischen Tom Waits und Baby Dee bildender, Chanson zelebriert. „You‘re Not My Type“, ein naiv-schwuler (was als positive Zuschreibung zu verstehen sei) Discofetzen im Geiste eines Divine und definitiver Ausreißer des Albums. Der melancholisch trashige Jahrmarktswalzer „My Lovely Val“ wird zur Gänze von Demians düsterer Stimme getragen, welche sich auch in „Never Deny Them“ blendend mit Denham duettiert. Das persönlich bis metaphysisch angehauchte „Gravity“ versprüht von Streichern unterlegt eine Brise Magick. Das vorwärts paukende „Saturday Night“ hebt sich durch kryptisch orientalische Musikparaphrasen hervor, während sich Val Denham als englisches, kampfbereites Mädchen aufs selbstbewusste Abschlepp-Tablett legt. Der Titeltrack letztendlich ist ein beschwörendes Intermezzo, Mantra und Optimismus versprühende Aufforderung, seiner inneren Stimme zu folgen - „fort the sake of your mental health, please do as i have done already and transform thyself“.

Ein großer Wurf, der nur knapp – Val Denhams Songwriting ist nicht in allen Momenten hundertprozentig ausgereift, Demian Recio greift zwar fast, aber dennoch nicht immer zum richtigen Sampel - an den vollen fünf Punkten vorbeischrammt.

Trackliste

  1. She's a Witch
  2. Glow
  3. Memories and Dreams
  4. Now the Bottles Empty
  5. Split
  6. Thinking of My Girl
  7. My Blackest Flowers
  8. You're Not My Type
  9. Searching for Superman
  10. My Lovely Val
  11. We don't Spoil Another Couple
  12. Saturday Night
  13. Transform Thyself
  14. Never Deny Them
  15. Gravity
  16. Icarus
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