Zitat
yttrium
Imho geht es nicht unbedingt darum, was man machen kann, sondern wie man wahrgenommen wird. Wenn ich ein Kleid anhabe bekomme ich mehr Aufmerksamkeit und werde höflicher behandelt (mehr Türen aufgehalten, mehr Autos, die anhalten, um mich über die Straße zu lassen etc.), werde aber auch häufiger dumm angemacht. Wenn ich eher geschlechtsneutral unterwegs bin (als Mann gehe ich nicht durch, da zu klein und zu ... äh ... niedlich, maximal als 15jähriger Bub) werde ich eher ignoriert. Und ich glaub Männer werden als kompetenter, aber auch bedrohlicher wahrgenommen - wegen mir hat jedenfalls noch niemand die Straßenseite gewechselt. Leider. XD
Die ganze Geschichte hat natürlich noch viel mehr Aspekte, aber das ist zumindest einer, zu dem ich etwas sagen kann.
Also ich bin schon ÄUSSERT unhöflich behandelt worden, gerade WEIL ich eine Frau bin. Beispielsweise, weil ich eine Frau bin, und "isch mir nischt von Frau etwas sagen lasse". In anderen Fällen wurde meine Kompetenz angezweifelt, weil ich eine Frau bin, und das fällt für mich auch nicht gerade unter Höflichkeit. Ich denke auch nicht, daß ein Transsexueller plötzlich von mehr Leuten Türen aufgehalten bekommt (was auch bei Frauen sehr selten vorkommt). Ich glaube auch nicht, daß Leute vor dem sozialen "Mann" plötzlich die Straße wechseln, wenn eine biologische Frau sich entscheiden hat, als Mann leben zu wollen.
Ich kann das mit dem Leben unter einer anderen Geschlechteridentität bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen, wenn ich an mein Online-Leben denke: Ich habe fast immer (mit Ausnahme dieses Forums) Namen, die nicht im geringsten weiblich erscheinen, und zwar, weil ich es mag, wenn die Leute mich in erster Linie als
MENSCH sehen, nicht als Frau. Interessanterweise stufen sie mich dann immer erst mal als Mann sein, also ganz so, wie es in der Literatur auch oft zu lesen ist: Männlich zu sein gilt scheinbar oft als Normalfall, Weiblichkeit als Abweichung - so absurd das auch ist. Wie oft habe ich früher Leute total irritiert, wenn sie nach Jahren draufgekommen sind, daß ich weiblich bin. (Das war teilweise recht lustig.) Der Vorteil am geschlechtslos oder "männlich" wirken ist (online), daß man eben NICHT so in Geschlechterklischees eingefangen wird.
Der langen Rede kurzer Sinn: Ich kann nachvollziehen, daß es angenehm ist, aus der eigenen Geschlechterklischee-Rolle zu entfliehen, weil sie einen einengt. Aber: Ich kann nicht nachvollziehen, daß es angenehm ist, ABSICHTLICH (!!!) eine andere Geschlechterklische-Rolle anzunehmen - und sie sogar noch
überzubetonen, ihr total viel Raum im Leben zu geben.