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Im Schlachthof
Tod am Fließband - Vom Schwein zum Schnitzel
von Verena Kainrath | 11. März 2011, 18:27
Fünf Millionen Schweine werden in Österreich jedes Jahr geschlachtet. Auf dem Weg in den Handel zählt jeder Cent
Die Arbeit in der Fleischfabrik tun sich nur wenige Österreicher an. Ein Blick hinter die Mauern eines Schlachthofs.
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St. Martin i. Innkreis - Der Weg in den Tod führt bergauf in das Licht. Fast im Minutentakt fuhren Frächter zuvor vor dem Schlachthof vor, beladen mit 150 Schweinen auf drei Etagen. Traktoren mit einigen wenigen Tieren fädelten sich dazwischen ein. Ihr Schreien und Quieken verstummte im Wartestall, die Panik wich der Apathie. In feinen Strahlen regnet kühles Wasser auf hunderte dichtgedrängte Rücken.
Stress mindert die Fleischqualität, macht es trocken und zäh. Also strich man die Böden grün, um die Tiere zu beruhigen, und lässt sie nach oben ins Sonnenlicht laufen. Die helle Rampe endet auf einem Förderband, dieses in Gondeln. Paarweise fährt sie der schwarze Paternosteraufzug nach unten. Kohlendioxid hat dort hundert Sekunden Zeit, um sie zu betäuben. Ihre Leiber fallen zwei Männern entgegen. Einer hängt sie an den Haken des Seilzugs, der andere sticht zu. 250-mal in der Stunde. Zu seinen Füßen ein breiter Fluss aus Blut. Süßer Gestank frisst sich in die Kleidung, zieht weiter in den Stall.
Rudolf Großfurtner drängt es an die frische Luft. Fleisch esse jeder gern, sagt er, genauer darüber Bescheid wissen wolle keiner. Leicht sei das Schlachten nie, er könne nur versuchen, es für die Tiere so stressfrei wie möglich zu halten.
Der Oberösterreicher baute mit seinem Vater in den vergangenen 40 Jahren einen der größten österreichischen Schlachtbetriebe auf. Seine 380 Mitarbeiter zerlegen im Innviertel an zwei Standorten jede Woche 10.000 Schweine und 950 Rinder. Die weißen Fabrikhallen am Rande des Städtchens St. Martin heben sich hart von der Landschaft ab. Drinnen Hightech pur. Zutrittskontrollen und Hygieneschleusen säumen den Weg von den Büros in die Produktion. Ärzten gleich huschen weißbekittelte Männer durch die langen Gänge. In den Garderoben sauber sortiert: Kettenschürzen und Messersets.
Einst führte Großfurtners Familie eine Landwirtschaft, ein Wirtshaus und einen Viehhandel. Heute karren Mäster im Umkreis von 150 Kilometer Schweine zu ihm. Knapp ein Drittel kommen aus Deutschland. Bis dahin sind die Schweine 220 Tage am Leben gewesen, 110 Kilo schwer geworden. Eber wurden ohne Betäubung kastriert. 0,7 Quadratmeter Platz sieht das Tierschutzgesetz für eine schlachtreife Mastsau vor, den Stall kennen sie nur von innen.
Großfurtner zahlt den Bauern fürs Kilo 1,40 bis 1,70 Euro, den marktüblichen Preis. Er steigt, je magerer das Fleisch und je einheitlicher das Gewicht das Tiere ist. "Der Schweinemarkt ist ein globaler, da geht es rein um den Preis. Der Druck ist enorm, und es wird von Jahr zu Jahr schwieriger."
Sein eigener Betrieb ist ein kleiner, gemessen an der internationalen Konkurrenz. Gut 14 Mio. Schweine im Jahr, tausend in der Stunde, zerlegt der deutsche Branchenprimus, fast dreimal so viel wie alle österreichischen Schlachter zusammen. Deutschland führt jährlich 120.000 Tonnen Schweinefleisch nach Österreich aus. Die hiesigen Schlachter reagieren ihrerseits mit mehr Exporten; Großfurtner liefert tiefgefrorene Ohren, Füße, Innereien bis nach China.
In dichten Reihen arbeiten seine Fleischhauer an den Schweinehälften, dazwischen Tierärzte, die die Tiere auf Krankheiten prüfen. Zuvor saugten Schläuche Mark und Hirn ab, die Gedärme wurden händisch entfernt. Noch. Bald soll das ein Schlachtroboter erledigen.
"Deutsche Hungerlöhne"
Den Großteil der Arbeit machen Ungarn und Tschechen. Vier Tage die Woche bleiben sie im Innviertel, der Betrieb stellt Unterkünfte. Österreicher finde er dafür kaum, sagt Großfurtner, die wenigen gelernten Fleischhauer zögen Jobs im Handel vor. "Im Osten hat der Beruf einfach noch einen anderen Stellenwert." Pro Stunde zahlt er brutto mindestens 10,5 Euro. In Deutschland, gleich über der Grenze, gebe es nicht selten gut drei Euro weniger. Lohndumping sei es, was Mitbewerber da betrieben, "eine Sauerei sind die Hungerlöhne".
Fein zerlegt, in appetitliche Portionen und Kisten geschlichtet, liegt das Schweinerne seiner Fabrik zwei Tage später im Handel, Spar zählt zu den großen Kunden. Biologisch ist weniger als ein Prozent des österreichischen Schweinefleisches - ein-, zweimal die Woche liefern Biobauern an Großfurtner. Bei der Tötung aber sind alle Tiere gleich.
Wichtig sei, dass Österreich die Schweinemast und Fleischverarbeitung nicht aus der Hand gebe, sagt er mit missbilligendem Blick gen Deutschland. An der Massentierhaltung komme keiner vorbei, "man braucht sich ja nur die Entwicklung des Fleischkonsums anzusehen." Auf Bioschweine angesprochen, winkt er ab. Für sie das Dreifache zu zahlen, "das sind halt nur wenige Konsumenten bereit". (Verena Kainrath, DER STANDARD, Printausgabe, 12./13.3.2011)