wohl schon fast wieder offtopic und vielleicht ist es eh irgendwo hier drin verlinkt. hab keine zeit, alles zu lesen, was hier im forum steht. diese mail ging zumindest am donnerstag an alle kunstunis raus. falls es jemand lesen will. being back from poland...
____________________________________________________
Subject: Fwd: Verhaftung Stellv. Dir. Universität Linz
[Fwd: meine verhaftung]
liebe kollegInnen, liebe studierende, liebe freundInnen,
viele von euch werden im laufe des wochenendes über bekannte, die presse oder das
fernsehen mitbekommen haben, dass ich im zuge der maidemonstrationen in linz von der
polizei inhaftiert wurde und mich ein prozess wegen widerstand gegen die
staatsgewalt erwartet.
deshalb eine kurze darstellung aus meiner sicht:
ich beobachte jetzt seit etwa 45 jahren die maidemonstrationen in linz, weil ich den
forderungen der arbeiterInnenbewegung um erweiterung demokratischer wie ökonomischer
rechte und für internationale solidarität grosses interesse und sympathie entgegen
bringe. persönlich habe ich nie an einem maiaufmarsch der SPÖ oder KPÖ teilgenommen,
da ich mich - zu meinem bedauern - mit keinem deren programme vollinhaltlich
identifizieren konnte.
ich beobachtete auch heuer mit einer gruppe von freundInnen die maidemonstrationen
am hauptplatz. nachdem um 11:30 der KPÖ-zug den hauptplatz noch immer nicht erreicht
hatte und wir geplant hatten, den nachmittag in der solarcity beim 09 projekt zu
verbringen ging ich die landstrasse entlang, um zu schauen, wo deren
demonstrationszug geblieben sei.
als ich an der goethekreuzung angekommen war, fuhr mir ein schreck durch die
glieder, da ich auf der blumau ein riesiges polizeiaufgebot sah; ich befürchtete,
dass neofaschisten, die kleine gruppe der KPÖ demonstratInnen überfallen hätten. (im
internet wie ihr vielleicht wisst - hatten die rechtsradikale aufgerufen,
anlässlich des kulturhauptstadtjahres einen gesamtdeutsche aufmarsch in linz
durchzuführen).
als ich jedoch bei der blumau eintraf, musste ich erkennen, dass die polizei den
abmarsch der demonstration verhinderte. etwa 30 friedlich sitzende jugendliche
wurden von etwa 50 stehenden polizisten umringt, die älteren
demonstrationsteilnehmerInnen standen empört und aufgeregt herum. um mich über die
lage zu informieren, fragte ich einen polizisten, warum die demonstration nicht
stattfinden würde. er antwortete mir, weil die demonstrantInnen vermummt seien. da
ich jedoch keineN einzigeN vermummteN demonstrantIn wahrnehmen konnte, fragte ich
nach. darauf bekam ich keine weiter antwort, da ja tatsächlich keine zu sehen waren.
daraufhin fragte ich eine, der nicht-eingekesselten demonstrantInnen. sie sagte mir,
dass die polizei von allen jugendlicheren demonstratInnen verlangen würde, dass
diese, um am maiumzug teilnehmen zu dürfen, sich zuerst fotografieren lassen und
ihren personaldaten abgeben müssten.
dies widerspricht meiner auffassung nach gröblichst sowohl den menschenrechten als
auch der österreichischen verfassung.
während ich noch versuchte mir einen überblick über die lage zu verschaffen, sah
ich, dass die größere gruppe von polizistInnen mit massiver staatsgewalt begann ein
mädchen aus der reihe der sitzenden, eingekesselten jugendlichen herauszuzerren. ich
lief ein paar schritte hin, um zwischen demonstratInnen und polizei zu vermitteln
und unnötige polizeigewalt zu verhindern. doch bevor ich dort angekommen war, wurde
ich von polizistInnen zu boden gestossen und von weiteren, herbeistürmenden
polizisten umringt. ich war geschockt und rollte mich am boden liegend zusammen, um
kopf und körper möglichst vor schlägen mit den polizeiknüppeln zu schützen.
die polizistInnen legten mir am rücken handschellen an und trugen mich zum
arrestantInnenwagen. ich wurde ins polizeihauptquartier verbracht. bis zu meiner
freilassung - um etwa 20:00 uhr - saß ich in einer einzelzelle. mir wurden
fingerabdrücke, abdrücke der handballen und DAN-proben abgefordert, ausserdem wurden
drogentests durchgeführt und polizeifotos angefertigt.
ich kann keine gesamteinschätzung der vorgänge abgeben, da ich etwa 5 minuten,
nachdem ich auf der blumau eingetroffen war, bereits verhaftet wurde. ausser mir
wurden vermutlich 6 weiter personen festgenommen.
ich hatte vor meiner verhaftung keinen polizisten beschimpft. kein polizist hatte
mich vor meiner verhaftung zu irgend etwas aufgefordert oder an mich auch nur ein
wort gerichtet. ich hatte keinen polizisten angegriffen. durch die grosse aufregung
hatte ich auch keinerlei schläge seitens der polizei wahrgenommen. erst nachdem ich
am nächsten tag auf videos meiner verhaftung gesehen hatte, dass ich offensichtlich
mit gummiknüppeln geschlagen worden war, betrachtete ich meinen körper im spiegel
und konnte einige blaue flecken sehen.
ich bin über den polizeieinsatz gegen den traditionellen, vorerst friedlichen
maiaufmarsch sehr empört. zugleich bin ich - bei gegebener lage - jedoch froh, dass
ich unter den verhafteten war, da so der polizeieinsatz eine große öffentlichkeit
bekommen hat; hätte es nur ein paar arbeitslose jugendliche getroffen, gäbe es
leider vermutlich keine öffentliche debatte darüber.
mein grossvater, ein arbeiter der ÖBB, wurde 1934 auch beim versuch verhaftet, eine
maidemonstration in linz durchzuführen. die zeit bis
1945 bezeichnen wir heute als faschismus. nach 1945 wurde meines wissens kein
maiaufmarsch der arbeiterInnenbewegung in linz von der polizei angegriffen oder
verhindert. heute leben wir sicherlich in keinem faschistischen land; zum glück
möge es so bleiben. doch offensichtlich müssen demonstrationsfreiheit und andere
menschenrechte auch aktuell verteidigt werden.
zu meiner lage musste ich mir übers wochenende auch so einiges
überlegen:
ich bin zufrieden, es geht mir sehr gut und ich fühle mich völlig unschuldig, denn
zivilcourage wird allerorts und von allen parteien beständig gefordert.
trotzdem bin ich mir sicher, dass das große medienecho (über welches ich glücklich
bin) bei stetiger nennung meiner funktion in der kunstuniversität linz in
anbetracht der aktuell bedrohlichen finanziellen lage, für die kommenden
finanzierungsverhandlungen unserer universität schädlich ist; nicht zuletzt deshalb,
weil sich bereits heute führungspersönlichkeiten der ÖVP sehr deutlich hinter den
polizeieinsatz gestellt haben. mein kommendes gerichtsverfahren, wird aller
voraussicht nach, im herbst parallel zu den leistungsverhandlungen mit minister hahn
laufen.
deshalb steht meine entscheidung, die ich allein und ohne absprache oder gar druck
von irgend einer seite beschlossen habe, fest: ich werde mein amt als vizerektor mit
beginn des WS zurücklegen und mich karrenzieren lassen.
es freut mich sehr, dass ich bereits im laufe des wochenendes von mehr als hundert
kollegInnen solidaritätsanrufe, sms`s und mails bekommen habe, weil es persönlich
einfach gut tut, zu wissen, dass sehr viele von euch hinter mir und meinen
aktivitäten stehen.
liebe grüsse und vielen dank für eure hilfe Wink))
rainer