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Suzanne Vegas Erstling erschien auf dem renommierten Folklabel A&M Records, welchem sie bis 1996 treu bleiben wird; vier sehr vielschichtige Alben für dieses Haus werden dem schlicht produzierten Debüt folgen. Ihr Werdegang ist in mehreren Biographien festgehalten, unter anderem auch auf ihrer sehr informativen, benutzerfreundlichen Homepage (siehe http://www.suzannevega.com/suzanne/biography/detailed.aspx).

Musikalisch gesehen ist „Suzanne Vega“ sehr akustisch gehalten; Vega selbst spielt die alles dominierende Gitarre und etabliert ihren unverwechselbaren Gesangsstil gleich mit dem ersten Lied, dem halb gesprochenen „Cracking“. Scheinbar kalt und distanziert, steht Vegas Stimme im starken Gegensatz zu den Themen, welche sie bearbeitet – Entfremdung in der Großstadt, imaginierte Beziehungen, welche nicht stattfinden (wunderbares „Some Journey“ mit virtuoser Endung auf elektrischer Violine), zum Kult avancierte New Yorker Nightclubs (bedrohliches „Undertow“) oder ins Märchenhafte verkleidete Kriegskritik („The Queen And The Soldier“, immer noch ein Favorit bei Live-Auftritten). Lyrisch recht anspruchsvoll, kündigt sie also bereits früh an, was auf den späteren Alben folgen sollte; in ihren Liedern zeigt sich auch stets, dass sie sehr früh angefangen hatte, Gedichte zu schreiben – auch solche, welche nicht vertönt werden. Gemeinsam mit vielen Texten aus bis dahin veröffentlichen Alben gipfelte die dichterische Karriere Vegas in der Veröffentlichung ihrer sämtlichen Texte in der Sammlung „The Passionate Eye“ im Jahre 2001. Neben Gedichten spielen Songtexte aus dem Erstlingsalbum eine Schlüsselrolle im Buch.

Die bereits erwähnten Themen werden durch stark introspektive Texte ergänzt; dabei nehmen Lieder wie „Small Blue Thing“ und „Straight Lines“ eine sehr hohe Stellung bei den Fans ein. Bei „Small Blue Thing“ kündigt sich so die Tiefe späterer Lyrik an:
„Today I am a small blue thing/Like a marble or an eye/With my knees against my mouth/I am perfectly round/I am watching you./I am cold against your skin, you are perfectly reflected/I am lost inside your pocket, I am lost against your fingers.“
Eine musikalische und lyrische Huldigung an Marlene Dietrich, „Marlene On The Wall“ wurde 1985 zur einzigen Single, die es in die Charts geschafft hatte. Für eine Debütantin im Singer-Songwriter Metier hört sich der 91. Platz in den Billboard-Charts heute vielleicht enttäuschend an; die Platte wurde aber zu einem Geheimtipp in den USA und in England und erleichterte so den überwältigenden Erfolg des nachfolgenden Albums „Solitude Standing“ mit den zwei bis heute größten Hits von Vega, „Luka“ und „Tom’s Diner“. Ein weiterer Höhepunkt, der bei Konzerten regelmäßig verlangt wird, ist „Neighborhood Girls“, das letzte Lied auf der Platte. Lyrisch gesehen ist es wieder ein Vorbote ähnlich komplexer, kryptischer Textstrukturen, welche auf späteren Platten folgen sollten. Interpretationen dieses Textes reichen von Kommentaren zur Lage der Prostituierten in New York bis hin zu Hommage auf Lou Reed, der – genauso wie Leonard Cohen – als größte Inspirationsquelle für Suzanne Vega dien(t)e.

Unter den Produktionsmitarbeitern an „Suzanne Vega“ befinden sich Steve Adabbo, der in der Zukunft noch öfters mit Vega arbeiten durfte, sowie Mark Isham, der Tausendsassa der Jazzszene und Filmmusik, dessen Trompete, Flügelhorn und Produktionskünste später auch Tanita Tikarams Karriere mitformen sollten.

Fazit: „Suzanne Vega“ ist ein Album, welches auf vielen Ebenen als Ankündigung späterer Höhepunkte in dieser einzigartigen Karriere dient. Volle Entfaltung ihrer lyrischen Qualitäten erreicht Vega hiermit bereits. Musikalisch wird sie sich noch vielfältig entwickeln; es sollten Großtaten folgen, wie das experimentelle „Days Of Open Hand“ (1990), das (auch kommerziell) erfolgreiche „Songs in Red and Gray“ (2001) oder das aktuell in die Läden eintreffende Album mit akustischen Versionen ihrer Liebeslieder „Close-Up, Vol. 1: Love Songs“. Auf diesem befinden sich drei Nummern aus dem Erstlingswerk Vegas, darunter auch das bereits erwähnte „Some Journey“.
 

Trackliste

  1. Cracking
  2. Freeze Tag
  3. Marlene On The Wall
  4. Small Blue Thing
  5. Straight Lines
  6. Undertow
  7. Some Journey
  8. The Queen And The Soldier
  9. Knight Moves
  10. Neighborhood Girls
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