cover front

Modell Doo sind ein typisch Österreichisches Phänomen, man müsste sie erfinden, gäbe es sie nicht schon (so lange). Erstmals 1985 in Erscheinung getreten, sind Stefan Grissemann (profil Kulturressorleiter) und Markus Moser (beim ORF in der Ö1 Leporello-Redaktion tätig) beeinflusst von Protagonisten der damaligen hiesigen musikalischen Subkultur bzw. den Post-Industrial-Nachbeben (in der Biographie ist da von Sparks, Residents, Kraftwerk, Fad Gadget, Cabaret Voltaire, Japan, Einstürzende Neubauten oder etwa The Young Gods die Rede).

Was sie dabei so typisch für Österreich bzw. Wien macht? Nun - "Modell Doo" ist eine großartige Band, irgendwie aber auch ein Projekt, das so mancher vom Namen her kennt - irgendwoher - aber zumindest bisher nicht leicht zuordnen konnte - man weiß nur: Das war doch so eine dieser legendären lokalen Bands der 80er, oder? So Blue Box-Szene vielleicht? War da nicht etwas mit einem Film? Was total Schräges? Ja, ja, und ja, da war was: Modell Doo schrieben die Soundtracks zu den beiden Carl Andersen-Filmen "Mondo Weirdo" und "I Was A Teenage Zabbadoing / Vampyros Sexos", der sie international in Kennerkreisen bekannt machte - bis heute ist der Bandname für viele mit einer fast schon mythisch-ehrwürdigen Aura umgeben.

Veröffentlichungen gab es kaum, eine E.P., und die Soundtracks - auf Tape.

Nachdem das Wiener Label Klanggalerie mit dem "Neonbeats"-Sampler unter anderem auch Modell Doo wieder in die Erinnerung rief, haben Moser und Grissemann wohl wieder Lust aufs gemeinsame Musizieren bekommen, und so liegt jetzt mit "Dinky Diamond" tatsächlich das allererste Album der Band vor - und auch wenn es größtenteils eine Zusammenstellung bereits existierenden Materials ist, handelt es sich hier nicht um eine Retrospektive mit Staubfaktor, sondern um ein großartig produziertes, vielschichtiges Werk aus dem Hier und Jetzt.

Neu aufgenommen, liebevoll zusammengestellt und in ein schönes Cover gepackt hat es dann wiederum die Klanggalerie, im Klappcover innen sieht man etwa eine Nachstellung des allerersten Bandfotos aus 1980, als es auch Modell D'oo (so die ursprüngliche Schreibweise) noch gar nicht gab. Sehr nett!

Nach diesem ausschweifenden Exkurs zur Geschichte der Band und die Entstehungsgeschichte jetzt aber einmal auch ein wenig mehr Konkretes zum Album selbst:

Modell Doo sind keine abstrakten Avantgardisten, die Stücke sind eigentlich relativ geradlinig und eingängig - vielleicht als Wienerische Variante (im positivstmöglichen Sinn) von Art Pop zu beschreiben , sehr detailreich und mit ausreichend knarzenden Sounds versehen. Die Texte sind gemischtsprachig - bei Deutschen Texten wie bei "Next.Stop." (mein persönlicher Favourite), "Easy Color" oder "Weisses Licht" merkt man sehr schön das eindeutig aus einer anderen (einer besseren?) Zeit stammende Selbstverständnis der Künstler - hier wird Österreichisch gesungen, und es wirkt angenehm authentisch und ausgesprochen unpeinlich. Vielleicht stimmt der eine oder andere mit mir überein, dass das Österreichische Singen oft recht problematisch ist... hier kommt es ausgesprochen gut rüber.

Ah, ich verliere mich schon wieder... also bitte, hier die herausragendsten Tracks und Anspieltipps:

"The Action Is Beautiful", ein vermeintlich  glattgestrickter, rockiger Popsong, jedoch mit Ecken und Kanten im Detail, nicht nur im Text.

"Easy Color", ein sehr atmosphärisches Stück, mehr Elektronik, der mit Referenzen gespickte Deutsche Text im Kreuzfeuer vorgetragen, mit gelegentlichen Ausbrechern ein sehr abwechslungsreiches Stück, das mehrmals gehört werden möchte.

"Lunar Society" - hallo? Was ist das jetzt, die späten Laibach? Ein großartiges Stück.

Ja, und natürlich "Don't Overact", das wavigste Stück, wie ich finde - ein schöner Basslauf, den ich persönlich gern noch ein wenig böser hören würde, wie auch die Drums, aber es könnte durchaus auch als Understatement verstanden werden.

Wie schon erwähnt - "Next.Stop.", mein persönliches Lieblingsstück.

"The Interpreter" liegt in zwei Versionen vor: das Original aus 1987, und das Remake aus diesem Jahr, ebenfalls sehr fein - und natürlich "(I Was A Teenage) Zabbadoing" als weiteres Highlight.

Fazit: Längst fälliger Überblick auf das Schaffen eines hiesigen Projekts aus den Achtzigern, das aber weder dem damaligen, noch dem heutigen Zeitgeist verfallen ist. Alternative Musik mit Tiefgang, bzw. was man "früher" unter alternativ verstanden hat: weder zu verkopft oder obskur, noch zu gefällig.

Hier drei Schnipsel zum Reinhören:

Trackliste

  1. Norman's Noise
  2. The Action Is Beautiful
  3. Easy Color
  4. Enemy
  5. Lunar Society
  6. Don't Overact
  7. The Interpreter (Version 2011)
  8. Colours
  9. Next.Stop.
  10. Weisses Licht
  11. Watch + Listen
  12. No Soundtrack
  13. (I Was A Teenage) Zabbadoing
  14. The Interpreter (Version 1987)
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