cover front

Best-Of-Alben sind ja Konspiranten des Mordes am Gesamtkunstwerk: Da denken sich Künstler ein Albumkonzept, machmal sogar epische Albenfolgen aus, haben unter bitteren Tränen über Auswahl, Abfolge und Übergänge der Songs zu entscheiden, investieren Lebensjahre in sechzig Minuten Spiellänge – und dann kommt so ein Heini von der Plattenfirma und sagt: Wir machen jetzt ein Best of! Zwölf popsongtaugliche Stücke, ein Foto auf das Cover geklatscht, den Bonustrack als Rattenfänger für die Sammler und Fans hinzugegeben, die sich darüber grün und blau ärgern, aber kaufen - und fertig ist das Werkschau-Fastfood. „Mit scharf?“

Postmodern(d) gesprochen könnte man aber auch sagen: Danke, Plattenindustrie! Das „Gesamtkunstwerk“ existiert spätestens seit der technischen Reproduzierbarkeit ohnehin nicht mehr (vgl. hierzu: Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, 1936), „Künstler“ haben keine Tränen, und machen auch schon längst keine 60-Minuten-Scheiben mehr. Darum Dank, wenn ihr uns das ganze Klimbim filtert und in ein kompaktes Format packt, damit man es im Primat der „Überall-Mitnehmbarkeit“ auch wirklich ohne Gewichtsbelastung überallhin mitnehmen kann (obwohl – wir laden's uns sowieso auf's Handy).

Im vorliegenden Falle Joy Division freilich würde man sich (zumindest öffentlich) wohl eher mit ersterer Anschauung schmücken und jeden Ein- und Beschnitt des ohnehin schmalen Bandwerkes mit Zeter und Feurio beklagen. Tut es wirklich Not, den Hörern nicht einmal den Erwerb (respektive Download) zweier Studioalben und einer Handvoll B-Seiten-Material zuzumuten? (Danke, Control?!)

Andererseits ist die aktuellste „Best of“-Zusammenstellung neben „Substance“, „Permanent“ und „Heart And Soul“ nicht die erste Erdreistung ihrer Art, und zudem nicht die frecheste. Immerhin gesellt sich zur naturgemäß kritisierbaren CD 1 (der Rezensent schreit entrüstet: vor allem schon wieder ohne „Day Of The Lords“, „Decades“, „Atrocity Exhibition“!) eine zu würdigende, komplette Einbindung des als „Peel Sessions“ bereits veröffentlichten Materials, der zwei Aufnahmen für die TV-Show „Something Else“ und ein pointiertes 3-Minuten-Interview. Eine Zugabe-CD, über die sich selbst Fans freuen dürften.

Das schöne Booklet selbst scheint einen weiteren „Joy-Division-Tonträger“ rechtfertigen zu wollen, wenn es hintergründig einen gewissen Paul Morley (Piece By Piece: Writings About Joy Division 1977-2007) zitiert: „Because they never used the word 'baby' in a song.“

Trackliste

  1. Digital
  2. Disorder
  3. Shadowplay
  4. New Dawn Fades
  5. Transmission
  6. Atmosphere
  7. Dead Souls
  8. She's Lost Control
  9. Love Will Tear Us Apart
  10. These Days
  11. Twenty Four Hours
  12. Heart and Soul
  13. Incubation
  14. Isolation
  15. Exercise One (* John Peel Session)
  16. Insight (*)
  17. She's Lost Control (*)
  18. Transmission (*)
  19. Love Will Tear Us Apart (*)
  20. Twenty Four Hours (*)
  21. Colony (*)
  22. Sound Of Music (*)
  23. Transmission (** Something Else)
  24. She's Lost Control (**)
  25. Interview by Richard Skinner with Ian Curtis and Stephen Morris
Weiterführende Links