cover front

Der Blutharsch ist bekannt für Kollaborationen und eine neue Vielseitigkeit, und unter diesem Motto stand auch die bereits im April erschienene EP "A Collaboration", so der Geheimtitel - denn natürlich sind sowohl EP als auch die Tracks "untitled" - eine Tradition, die (für Reviewer: leider) nicht dem nunmehr vollständig vollzogenen Richtungs- und Stilwechsel der Band rund um Reverernd Albin "Sunlight" Julius anheim fiel.

Gemeinsam mit Aluk Todolo aus Frankreich entstand also eine psychedelisch gestimmte 4-Track-EP, hier in wunderschönem, schwerem Vinyl vorliegend, deren Cover allerdings ebenfalls nullstens Information offenbart.

Aufgenommen im spannenden Hin-und-Her-Spiel zwischen Wienerwald und Paris - man schickte einander die jeweiligen Overdubs -  entwickeln die vier Tracks eine Atmosphäre, die fast schon nach Jam-Session klingt, im positivsten Sinne. Man merkt, dass sich hier zwei einander ausgezeichnet ergänzende Bands gefunden haben.

In Ermangelung einer Trackliste und der Unmöglichkeit, die Tracks anhand Länge (alle sind rund 10 Min. lang) oder sonstiger Attribute in Vorder- und Rückseite zu unterteilen, kann man nur nach Tempo der Seiten unterscheiden. Ich fange also bei der flotteren Seite an:

Der erste Track bietet einen durchgehenden, ungeraden aber mitreißenden Rhythmus, durchzogen von Samples, Bassläufen und Wah Wah-Gitarre, vereinzelt mischt sich unter anderem ein sehr, sehr schräges Orgelspiel ein - abwechslungsreich und treibend trotz der unveränderlichen Rhythmik. Mich erinnert das Stück an die dichte Atmosphäre besserer God Bullies-Stücke, ein wenig rockiger noch. Ja, es rockt ziemlich.

In ähnlicher Tonart geht es auch weiter, jedoch epischer und streckenweise ruhiger, im zweiten Track der Seite. Die Gitarre dominiert, teils akustisch, teils mit gehörigem Feedback.
Vocals gibts auch hier keine - obwohl etwas später, inmitten weiterer Wah Wah-Sounds, dem verspielten Basslauf hinterlegt, ein durchgehendes "Aaaahhhhhhh" meiner Meinung nach durchaus per Stimmbänder erzeugt wurde.

[Hier muss ich kurz unterbrechen - ich hab mir die zweite Seite zuerst im festen Glauben angehört, sie gehört auf 45 Umdrehungen/Min. gespielt - was ich übrigens auch empfehlen kann, haha! Daher jetzt ein wenig abgeändert, aber eigentlich ist nur das Tempo ein anderes]

Wesentlich besinnlicher, "doom"artiger wirds auf der zweiten Seite - getragener und soundtrackartiger - Terminus meets Twin Peaks - ein weiterhin sehr melodiöser, monotoner Basslauf trifft auf flächigen Gitarrensound und dezentes Orgelspiel. Klassisches Arrangement gibt es keines, und doch ergibt sich ein Auf und Ab, langweilig wird's nie.
Noch dazu mischt sich - und erkennt man natürlich erst, wenn man es (*schäm*) sich in der richtigen Geschwindigkeit anhört - ein wenig Erotik ein, ich finde es prickelt sogar ein wenig Je t'aime - mäßig.

Das zweite Stück lässt sich dann auf weitaus mehr Ausbrüche ein, die hervorragenden Vocals passen sich in die teils kakophonische, lärmige Atmosphäre ein, einzelne Momente laden auch zum Immerwiederanhören ein denn hier wird sich nicht wiederholt.

Fazit: Ein sehr gutes, wenn auch erwartungsgemäß ungewöhnliches und für frühe Blutharsch-Fans möglicherweise verwirrendes Mini-Album, das dem musikalischen Wandel der Band Rechnung trägt, und dem Blutharsch dank der Kollaboration mit Aluk Todolo eine weitere Facette hinzufügt. Ein paar Mal Durchhören ist schon nötig, um hineinzukommen.
Bleibt zu hoffen, dass auch eben erwähnte "alte" Fans ebenso viel Spaß beim Hören haben wie die beiden Bands selbst, die einander hier hervorragend ergänzen. Dass die Vinyl-Version bereits ausverkauft ist, dürfte aber ohnehin ein eindeutiger Hinweis auf die positive Annahme sein.
Die CD ist ebenfalls bereits erhältlich - zu kaufen unter anderem bei Totem und Mord+Musik.

Trackliste

  1. Untitled
  2. Untitled
  3. Untitled
  4. Untitled
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