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Blondie waren (und sind) eines jener Pop-Phänomene, die niemand so richtig einzuordnen vermag; von den Punk- und New-Wave-Puristen werden sie öfters Richtung Pop verschoben. Dorthin angelangt, wird ihr Spiel mit den Clichés als störend für die gut geölte Pop-Maschine empfunden. Hinzu kommt der Vorwurf, alles auf einmal sein zu wollen – alternativ, punkig, dann wieder mit Rap-Einlagen spielend bis hin zu Disko-tauglichen Sounds der späten Siebziger.
Wie man es auch sieht, der Beitrag von Blondie (in all den angesprochenen Musikrichtungen) ist ein recht wichtiger: von den anfänglichen Synthie-Sounds in bester New Wave – Tradition auf dem Debutalbum „Blondie“ bis hin zum Comeback-Album „No Exit“ in 1999 mit dem perfekten Pop-Hit schlechthin Maria, welcher sogar im sonst nicht so Blondie-affinen Österreich Platz 2 in den Charts schaffte.

Einer der Höhepunkte in der Bandkarriere war jedenfalls das 1977 erschienene zweite Album „Plastic Letters“. Nach dem Erscheinen des Debuts ein Jahr zuvor wechselte die Band zur international agierenden britischen Chrysalis, die ihnen eine breitere Plattform für die künftigen Alben bot. Das Album schaffte den internationalen Durchbruch für Blondie, obwohl der heimische Markt eher unbeeindruckt blieb – in den amerikanischen Billboard Charts schaffte „Plastic Letters“ gerade den 72. Platz. Die zwei Singleauskoppelungen allerdings hatten es in sich: Denis, eine Coverversion des Liedes Denise, ursprünglich von Randy & the Rainbows aus dem Jahr 1963, schaffte es fast zur Nummer Eins der britischen Charts; auch hierzulande kam Denis in die Charts und verbrachte 16 Wochen darin, mit dem 10. Platz als Topwert. In den Niederlanden erreichte Denis sogar den Platz 1 der Charts. Die zweite Single (I Am Always Touched By Your) Presence, Dear kam ebenso in die Top Ten der britischen Charts. Denis ist sicherlich eines der bekanntesten Lieder von Blondie, welches auch heute starke Radiopräsenz auf der ganzen Welt genießt.
Abgesehen von der Charttauglichkeit der beiden uptempo Lieder hat „Plastic Letters“ aber auch anderes anzubieten. Die ganze Scheibe ist eine Abfolge von recht schnellen, kurzen Stücken, welche in sich stimmig wirkt. Das hervorragende Contact In Red Square ist hier der kürzeste Song mit einer Länge von 2:02. Die Lieder stammen von 3 (von damaligen 4) Bandmitgliedern – die eigentliche Blondie-Hitfabrik Chris Stein steuerte 2 Lieder bei und beteiligte sich an der rasenden, gitarrenlästigen Nummer Detroit 442. Debbie Harry schrieb Love At The Pier und arbeitete mit am aberwitzigen Song mit dem viel sagenden Namen I’m On E. Gitarrist Frank Infante und Bassist Nigel Harrison spielen zwar mit der Band, werden aber erst im Züge der Veröffentlichung dieses Albums zu vollwertigen Mitgliedern von Blondie.

Eines der Highlights des Albums ist auf jeden Fall Jimmy Destri’s No Imagination, eine etwas langsamere Nummer über einen One-Night-Stand, in welcher die Stimme Harrys besonders gut zur Geltung kommt. Ein weiterer Anspieltipp ist der Opener Fan Mail, der – wie der Name sagt – die Beziehung zu den Fans thematisiert. Auch dieses Lied stammt aus der Feder Destri’s, sowie das bereits angesprochene Maria. Auf den kommenden Alben der Band wird das Potential Destri’s erst zur Geltung kommen; manche der besten und eingängigsten Lieder von Blondie stammen von ihm (11:59, Atomic – gemeinsam mit Debbie Harry, Do The Dark etc.).

Die ursprüngliche Schallplatte enthält 13 Lieder. Das Re-release auf CD aus 2001 wartet mit 4 zusätzlichen Nummern auf, unter anderem sind die B-Sides Scenery und Poet’s Problem dabei. Der Produzent von „Plastic Letters“, Richard Gottehrer wird sich nach dieser Platte von Blondie trennen; seinen Platz nimmt der (vor allem im Zusammenhang mit Blondie) legendäre Mike Chapman ein. Gemeinsam mit Chapman werden Blondie mit ihren nächsten drei Alben die erfolgreichste Phase ihrer Karriere bestreiten. Dennoch bleibt „Plastic Letters“ mit seinem schnellen Tempo und charakteristischen Schlagzeugorgien von Clem Burke ein Meisterwerk, der in vielen Bereichen richtungsweisend für die aufkommende Ära von New Wave war.

Trackliste

  1. Fan Mail
  2. Denis
  3. Bermuda Triangle Blues (Flight 45)
  4. Youth Nabbed As Sniper
  5. Contact In Red Square
  6. (I'm Always Touched) By Your Presence, Dear
  7. I'm On E
  8. I Didn't Have The Nerve To Say No
  9. Love At The Pier
  10. No Imagination
  11. Kidnapper
  12. Detroit 442
  13. Cautious Lip
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