
Wenn man vor 25 Jahren das letzte reguläre Studioalbum veröffentlicht hat und in der Zwischenzeit zu einer der größten Legenden der populären Musikgeschichte aufgestiegen ist, tut man gut daran, für jedwedes neue Unterfangen einen Schutzengel zu bemühen. Bauhaus verabschieden sich 2008 mit "Go Away White", ihrem angeblich allerletzten Werk, und der darauf abgedruckten Rückenansicht von "Bethesda, Engel der heilenden Wasser". Ein weißer Abschied, in Würde und unter himmlischem Geleit?
Die Botschaft von "Go Away White" ist deutlich: "I come with this darkness and go away white." Peter Murphy ist so entgegenkommend, uns noch einmal in Erinnerung zu rufen, dass "Goth" tot ist und Bauhaus ohnehin nie vorhatten, ein so unglücklich bezeichnetes Genre zu gebären. Also kann man getrost Samt und Kerzen beiseite und Bela Lugosi ruhen lassen, oder anders: dem Ornament entsagen und sich dem Handwerk widmen (getreu dem Programm der Namensspender).
Und schon im Auftakt des Albums fallen die Späne: "Too Much 21st Century" stellt sehr laut klar, dass sich Bauhaus bis zuletzt nicht als Kinder ihrer Zeit betrachten, und "Adrenaline" erinnert an das Schaffen des nicht weniger "unmodischen" Kollegen Osterberg (Iggy Pop). Um mit den Referenzen für eine Referenzband auch schon wieder abzuschließen, sei nur noch das an frühe Bauhaus-Dubs erinnernde, synthieunterstützte "Undone" erwähnt, das auch ein Song von David Bowie hätte sein können.
Glaubt man Go Away White spätestens mit "Endless Summer Of The Damned", das noch einmal die guten alten "tribal drums" auspackt, schon einem Abschied mit Blitz und Donnergrollen verschrieben, kommt "Saved" daher und leitet die "B-Seite" des Albums ein:
"You're entering a pearl corridor / lying on your crimson spot / I become unconcious / Saved" - die alte, meditative Bewusstlosigkeit, aus der sich einst die Meisterwerke "Mask" und "The Sky's Gone Out" speisten, erfüllt wieder den Raum. Peter Murphy wiederholt das letzte Wort wie ein Mantra, und Bauhaus wirken erlöst wie ein Moribunder in den letzten Atemzügen. "Water things do not part." Die Übergänge fließen wieder, und in "Mirror Remains" setzt sich sein Vorgänger fort. "You put the clocks forward / you put the clocks back / the mirror is never fooled", er zeigt die deutlichen Züge von Peter Murphy, Daniel Ash, Kevin Haskins und David J. Aller Selbstgefälligkeit entfremdete Musiker, die sich noch immer während der Songs über ihre gelungenen Soli unterhalten und dazu ungezwungen hüsteln. "Black Stone Heart", vielleicht der gutgelaunte Höhepunkt des Albums und trotz aller vor sich hin gepfiffener Beschwingtheit am meisten nach Abschied klingend, ist der bereits zitierte, versteckte Titelsong von Go Away White: "And my black is back / And I see the outer side / I go there with my darkness / And go away white".
Was gesagt werden musste ist gesagt, und zehn Minuten mit zwei Songs bleibt noch Zeit, mit Bauhaus ein letztes Mal außerhalb von Raum und Bewusstsein zu verharren. Aber "The Dog's A Vapour" und das wunderschöne, mohammedanische "Zikir" setzen dann in Wahrheit ein offenes Ende, das auch über ihre Erstreckung in der Zeit hinauweist. "Loves me / loves me not / loves me / loves me not / loves me ..."
Diesem Abzählreim stellt sich auch Go Away White, und es liegt bei jedem Höhrer selbst, wieviele Blätter sein Gänseblümchen haben wird. Wenn auch "definitiv letzte" Statements von Rockbands die größte Mär neben der vom Christkind und der von der Neutralität Österreichs sind, gestatten wir "Go Away White" diesen postumen Status vorerst und winken (hoffentlich dankbar) zurück...
Trackliste
- Too Much 21st Century
- Adrenalin
- Undone
- International Bullet Proof Talent
- Endless Summer Of The Damned
- Saved
- Mirror Remains
- Black Stone Heart
- The Dog's A Vapour
- Zikir
Kommentare
Ich war erstmal baff als ich auf das Album gestoßen bin. Hab es mir natürlich sofort unter den Nagel gerissen und reingehört. Und ja, Peter Murphy und Konsorten können's immer noch, und dass Murphys Stimme im Laufe der Zeit rauher geworden ist, schadet überhaupt nicht. Aber....!
Aber was ich an Bauhaus immer so geschätzt habe waren die Bilder, die sie in meinem Kopf hervorriefen, und diese Bilder waren regnerisch, britisch, düster, schwarz, depri, rauchig. Dieses Album hingegen weckt Assoziationen mit Sonnenschein, Kalifornien und einer Veranda im Sonnenuntergang auf der ein paar angegraute Herren sitzen, die WISSEN dass sie saugut sind, und der Rauch riecht eher nach Zigarre und BBQ denn Zigarette oder Patchouli. Es ist das mit Abstand sonnigste Album, dass Bauhaus je gemacht haben. Man ahnt sogar die Chili Peppers und die letzten 20 Jahre. Vielleicht würde es anders klingen wenn sie es im regnerischen britischen Herbst gemacht hätten, anstatt im sonnigen Kalifornien, aber wahrscheinlich hatten sie einfach die Schnauze voll von Regen und Lichtmangel.
Wie auch immer, MEIN Favorit ist und bleibt "Press the Eject and give me the Tape".