2 Teile hintereinander .....
Welcome to the 80's - Folge 1: Postpunk & Neue Deutsche Welle
ARTE: Dienstag 11. August 2009 um 22.55 Uhr
Die 80er waren das Jahrzehnt der Jugendkulturen: Ob Punker, Popper, Waver, Ökos, Heavies, Grufties, Acid-Jünger oder Hip-Hop-Heads. Sie alle hatten ihren Sound und ihre Kleidungscodes. "Welcome to the Eighties" ist die erste umfassende TV-Darstellung der musikalischen Entwicklung der 80er Jahre. Die sechsteilige Dokumentationsreihe bettet die musikhistorische Aufbereitung in den zeitgeschichtlichen Rahmen ein und erzählt so, wie wir wurden, was wir sind - wurden doch in den 80er Jahren jene popkulturellen Gleise gelegt, auf denen wir heute noch reisen. Heute: In den 80ern sind geniale Dilettanten die Stars der Stunde. Und dabei ist die musikalische Spannbreite extrem vielfältig: Vom Noise-Rock der New Yorker No Wave-Bewegung über die Geburt von Ska und 2Tone in England bis zu den Anfängen der Neuen Deutschen Welle.
Postpunk & Neue Deutsche Welle beginnt bereits in den später 70er Jahren: der Punkrock wirkt wie eine musikalische Entschlackungskur für eine aufgeblähte und tot produzierte Pop- und Rockmusikszene (Barclay James Harvest, Pink Floyd, Yes), initiiert eine nie zuvor dagewesene Vielfalt und Experimentierfreude.
Bis heute maßgeblich einflussreiche Bands wie Devo, Gang of Four und Wire prägen den Postpunk-Sound und spielen mit neuen technischen und musikalischen Möglichkeiten. In den gewaltigen ökonomischen Umbrüchen Großbritanniens der späten 70er formiert sich ein hochpolitischer Sound, der schwarze und weiße Elemente miteinander kombiniert: The Clash atmen Reggae und Punk gleichermaßen, The Specials reanimieren den jamaikanischen Ska der 60er. Sie alle zünden ein Fanal gegen den europaweit aufkommenden Rechtsextremismus - und zugleich schlägt die Geburtsstunde der Independent-Bewegung: Das Ska-Label 2Tone startet äußerst erfolgreich und füttert die britischen Top Ten mit Bands wie The Selector oder Madness, und Daniel Millers Mute-Records werden eher zufällig ins Leben gerufen. Der Film erzählt, wie das geschah. Noch heute ist der Mann Plattenboss von Depeche Mode ...
Das kreative Chaos angloamerikanischer Herkunft lässt auch die deutsche Szene nicht unberührt: Als Bindeglied fungieren D.A.F., die Deutsch-Amerikanische Freundschaft. Mit minimalistischen, elektronischen Beats und provokanten Texten sind sie in England und Deutschland gleichermaßen bekannt und gelten kurz darauf als Headliner der sogenannten "Neuen Deutschen Welle". Wie in London und New York ist auch in Düsseldorf, Hamburg und Berlin eine vom Punk inspirierte Szene aktiv: Die Einstürzenden Neubauten erzeugen im Rahmen der Bewegung der "Genialen Dilettanten" wüst-expressive Geräuschkulissen, konzeptionell einflussreich basteln parallel "Der Plan" in Düsseldorf quietschbunt und maskiert in lustigen Performances ein schrilles Gesamtkunstwerk.
Auch in der Provinz spielt man mit der deutschen Sprache, jenseits des Schlagers von Ausnahmen abgesehen noch weitestgehend ein Novum - Extrabreit feiern akustisch Schulbrände und geben all den neuen Sounds jenen Schwung, der sie direkt in die Charts befördert. Auch Ideal aus Berlin verbinden Schlager und New Wave, Trio machen den Minimalismus, von Devo und D.A.F. vorgedacht, zum Soundtrack für die Massen - "DaDaDa" wird zum Welthit aus Großenkneten. Die gnadenlose Kommerzialisierung lässt so nicht auf sich warten - schon bald sind UKW so verschossen in Sommersprossen, dass selbst Fräulein Mencke auf Hohe Berge flüchtet und dort jodelt. Was als kreative Explosion begann, verebbt und trivialisiert sich, bis selbst das Massenpublikum die Nase voll hat.
Der Film von Birgit Herdlitschke beleuchtet dieses so oft als nationale Selbstbesinnung und Gründungsurkunde "eigenständiger" deutscher Popmusik gefeierte Phänomen NDW als das, was es wirklich war: Eine spannende und facettenreiche Spielwiese, die erst im Kontext internationaler Entwicklungen wirklich verständlich wird und im Rahmen dieser auch Impulse setzte.
In einer Kombination aus Zeitzeugeninterviews, bekannten und unbekannten Fundstücken aus den Archiven und intensiver Spurensuche vor Ort - in der Bronx, in Sheffield oder in Berlin - entfaltet die sechsteilige Dokumentationsreihe ein mitreißendes Panorama aus brodelndem Underground und unvergessenen Hits.
"Welcome to the Eighties" rekonstruiert die damals vorherrschenden ästhetischen Welten und setzt da an, wo sie in Konflikt miteinander gerieten. Wie Punker gegen Hippies rebellierten, Synthie-Popper den Macho-Rock attackierten, sich im schwarzen Ghetto eine eigenständige, schwarze Kultur gegen den weißen Mainstream auflehnte, eine neue Lust am Kommerz die linke Kulturkritik beerdigte, eine schrille Partykultur Kopflastigkeit und kritische Distanz besiegte und bleich geschminkte Gothic-Freaks dem solariumgebräunten Körperkult der 80er eine düstere Welt aus Weltschmerz und Okkultismus entgegensetzten.
Wiederholung am Samstag 15. August um 03.00 Uhr und Freitag 28. August um 18.05 Uhr
(Deutschland, 2009, 52mn)
Welcome to the 80's - Folge 2: Synthie-Pop & New Romantic
ARTE: Dienstag 11. August 2009 um 23.45 Uhr
Die 80er waren das Jahrzehnt der Jugendkulturen: Ob Punker, Popper, Waver, Ökos, Heavies, Grufties, Acid-Jünger oder Hip-Hop-Heads. Sie alle hatten ihren Sound und ihre Kleidungscodes. "Welcome to the Eighties" ist die erste umfassende TV-Darstellung der musikalischen Entwicklung der 80er Jahre. Die sechsteilige Dokumentationsreihe bettet die musikhistorische Aufbereitung in den zeitgeschichtlichen Rahmen ein und erzählt so, wie wir wurden, was wir sind - wurden doch in den 80er Jahren jene popkulturellen Gleise gelegt, auf denen wir heute noch reisen. Heute: USA 1983 - die zweite Britische Invasion überrollt das Land. Wie die Beatles knapp 20 Jahre zuvor begeistern jetzt Bands wie Duran Duran, Thompson Twins, Eurythmics oder Culture Club das Mutterland des Rock 'n' Roll.
Synthie Pop & New Romantic zeigt, wie technische Innovationen und eine entfesselte Frisuren- und Outfitparade die Bühnen in einen Laufsteg für ästhetischen Extremismus verwandeln. Die Politisierung der späten 70er und frühen 80er Jahre schlägt um in totale Ästhetisierung. Die Songs von Visage, die Kostüme von Boy George: Ein Hauch von Karneval mit ganz viel Stil durchweht die Clubs. Die Pluralisierung und Individualisierung von Lebensstilen feiert im Londoner "Blitz!"-Club ihren Durchbruch. Ein Festival der Paradiesvögel: "Gender Bender" ist angesagt, Androgynität Trumpf - von Annie Lennox, Frontfrau der Eurythmics, bis hin zu den Teenager-Idolen Kajagoogoo gilt: "Jetzt schminken sich auch Jungs" , und Frauen tragen Hosenanzüge. "Cockrocker" im Baumwollhemd sind das erklärte Feindbild. Wie überhaupt der amerikanische Mythos des guten alten Rock 'N' Roll ausdient. Europa ist in. Nicht nur David Bowie schwärmt von Berlin. Spandau Ballet tragen ihren Einfluss im Namen und Ultravox sehnen sich nach "Vienna" - in den Kölner Studios von Conny Plank aufgenommen.
Am Ende verkaufen die Briten sogar den Amerikanern ihre eigene Version des Rock'n'Roll. Als die "Second British Invasion" nach den Beatles und Rolling Stones in den 60ern die USA erreicht, Duran Duran das Land des Blues und Rock'n'Roll erobern, lästert die Musikpresse zwar über "Haircut-Bands" - doch auch sie kann deren Siegeszug nicht stoppen. Optik ist nunmehr oft wichtiger als musikalische Qualität, und doch ergeben sich auch in dieser Hinsicht erweiterte Kriterien: Aus Teenie-Bands wie Depeche Mode werden Superstars - die Keyboard- und Synthesizer-Technologie macht es möglich. Orchestral Manoeuvres in The Dark, Yazoo, Propaganda aus Deutschland, Desireless, Les Rita Mitsouko, The Human League, Heaven 17 und viele andere mehr produzieren so den prototypischen Sound der 80er. Dabei findet der kommerzielle Erfolg des Synthiepops in Gary Numan einen eher zufälligen Vater.
Frank Jastfelder porträtiert lustvoll und ironisch eine Szene, deren Look heute in der U-Bahn vermutlich als Invasion vom anderen Stern betrachtet würde. Zeigt Aufstieg und Niedergang eines neuen, akustischen Universums, das Siechtum und Trivialität anheimfällt, weil Sandra und Michel Cretu wie auch Modern Talking und Dieter Bohlen die neuen Sounds und Techniken ihren Hit-Produktionen einverleiben. Bis der Rock gnadenlos zurück schlägt und die Helden eines neuen Zeitalters mit altbewährtem Gitarrensound wieder von der Bühne fegt ...
Wiederholung am Samstag 15. August um 03.50 Uhr und Montag 31. August um 18.05 Uhr
(Deutschland, 2009, 52mn)