Nun blickt das Wave Gotik Treffen also auch schon auf ein bewegtes Leben mit 20 Lenzen zurück. Für die einen der Höhepunkt des dunklen Festival-Jahres ist es für manche ein kommerzielles Schaulaufen der Eitelkeiten.
Wie erklärt sich aber nun das Phänomen „WGT“? Ich denke, es ist einfach die Vielfalt, die das Festival auch noch nach vielen Jahren bietet.
Was 1992, also knapp nach dem Mauerfall, im ehemaligen Osten Deutschlands mit einer Handvoll Bands begonnen hat, (damals genau acht an der Zahl), hat sich in diesem Jahr nun auf weit über 200 Bands vervielfacht.
Und die Künstler der musizierenden Zunft sind ja nur ein Teil des ganzen Spektakels. Quasi an allen Ecken und Enden der Stadt finden Events, Parties, Lesungen, Filmvorführungen und vieles mehr statt.
Ganz Leipzig ist am Pfingstwochenende von schwarzen Gestalten bevölkert. So bietet die Innenstadt ein lebhaftes dunkeblbuntes Treiben, von der Bevölkerung großteils akzeptiert und teilweise auch gerne mit der Kamera festgehalten (besonders leicht bekleidete Damen sind da natürlich bei den Normalo-Paparazzis ein sehr beliebtes Motiv).
Vor allem bei den Gewerbetreibenden ist der Homo Gothicus ja überhaupt ein gern gesehener Wochenend-Gast. Denn an den paar Pfingst-Tagen fließt ein nicht zu unterschätzender Eurobetrag in die Kassen derselbigen (und jene der Stadt) und sorgt somit für eines der umsatzstärksten Wochenende des Jahres.
Und natürlich möchte hier jeder ein Stück vom schwarzen Kuchen abhaben. So verwundert es kaum mehr, dass ein 08/15-Klamottenladen -20% auf alle schwarzen Kleidungsstücke gibt oder der Friseur eine Aktion auf Waschen-Schneiden-Schwarzfärben ausschreibt.
Was inzwischen aber wirklich ärgert, sind die saftige Aufschläge für die Hotelzimmer von Freitag bis Montag : 100% oder mehr zum üblichen Tarif sind keine Seltenheit.
Da zieht dann mancher doch eine private Pension vor, oder aber die günstigste Variante: den Zeltplatz, den man für ein paar Euro Aufpreis mit der Obsorgekarte inkludiert hat.
Apropos Aufpreis: diesen gab es dieses Jahr auch in etwas verstärkter Form auf das normale Festival-Ticket. Natürlich liegt man hier nach wie vor unter dem Betrag, den man für mehr oder weniger „mainstreamige“ Festivals ablegen muss.
Aber auch wenn Bands und Unterhaltungsmöglichkeiten von Jahr zu Jahr mehr werden, der Tag hat einfach nur 24 Stunden, und das ist immer ein großes Problem, vor allem wenn man doch einen etwas breiter gefächerten Musikgeschmack sein Eigen nennt und sich dann die Auftritte überschneiden.
Und so steht oft genug vor der Frage: „Wie bekomme ich das alles unter einen Hut???“.
Dann man möchte ja auch noch Party machen, sollte auch etwas schlafen, essen, duschen.
Ja, manche gehen da an die Grenzen des physisch Leistbaren! ;-)
So, nun aber ein paar Notizen zu diesem Jahr:
Es haben sich 2011 wieder rund 20.000 Besucher in Leipzig eingefunden, das Wetter zeigte sich auch in Festtagsstimmung, von kurzen Regenschauern abgesehen.
Und auch von den Outfits her waren wieder eine Menge interessante, kreative und oft auch gewagte Kreationen zu sehen.
Diese Jahr schon vermehrt Besucherim Steampunk-Style, viele auch in aufwendiger und opulenter (Dunkel-)Viktorianischer Gewandung und nach wie vor auch viele Oldschool-Irokesen-Batcave-Postpunk-Menschen. Die Glühwürmchen (sprich Cyber-Goths) gehören anscheinend inzwischen einer aussterbenden Art an, diese sind mir dieses Jahr nur mehr vereinzelt begegnet.
Von Jahr zu Jahr mehr wird aber der Grufti-Nachwuchs (und damit meine ich den wirklich jungen Nachwuchs, so ab 3 Jahren aufwärts!), der teilweise auch schon in szenekonformer Kleidung dem Treiben beiwohnt!
Zum Jubiläum haben sich die Veranstalter eine Besonderheit einfallen lassen: üblicherweise startet das Treffen erst freitags mit den ersten Bands, diesmal wurde aber bereits am Donnerstag die AGRA-Halle für die ersten Acts geöffnet.
Donnerstag Agra-Halle
Und hier fiel die Wahl nicht auf irgendwelche Künstler, sonder auf diejenigen, die beim ersten Mal 1992 mit dabei waren und auch heute noch mehr oder weniger aktiv sind!
Beginnzeit für den ersten Act war bereits um 18:00 Uhr. Und so waren wir für die ersten Bands zu spät dran, bzw. genossen noch mit einigen Bekannten aus der Heimat, denen man in Leipzig ja quasi alle paar Meter über den Weg läuft, noch ein, zwei Getränke im Treffen-Cafe.
„Das Ich“ machten den Opener und wie wir später erfuhren, lag Sänger Stefan Ackermann zu der Zeit schwer krank im Spital. Aus diesem Grund hatten verschiedene Gastsänger seine Rolle eingenommen.
Auch bei Band Nummer 2 „Sweet William“ und Henke's Goethes Erben-Show waren wir dann noch nicht zugegen aber von der nächsten Band „Age Of Heaven“ konnte ich dann noch die letzen 2 Nummern miterleben. Und die gefielen mit ihrem oldschooligen Goth-Rock nicht mal schlecht!
Dann ging's aber wirklich los und von allen nachfolgenden Bands hab' ich dann auch ein paar Impressionen für die Galerie mitgebracht!
The Eternal Afflict
Das Band-Duo hatte klar getrennte Aufgaben, Sänger Cyan gab die Frontsau und Keyboarder Winus, mit Lederjacke, Sonnenbrillen und Cowboyhut, stand cool und wie festgeschraubt hinter seinem Tasteninstrument.
Passend zu den Texten zeigten Videoprojektionen Fotos und Filmsequenzen von Amokläufern, dem Massaker in der Colombine Highschool oder Guantanamo, alten Horrorfilmen und sonstigen düsteren Themen.
Nach einem Querschnitt durch das Schaffen gab's dann als Zugabe, wie könnte es auch anders sein, den einzigen großen Hit der Band „San Diego“. Für Fans der Band sicher eine nette Gelegenheit, die Band mal wieder live zu erleben.
Love Like Blood
Für mich in den 90er-Jahren eine der Lieblingsbands aus dem Goth-Rock-Bereich.
Und auch bei vielen Anderen war wohl die Freude groß, sie zum ersten Mal oder nach langer Zeit live zu sehen – aber auch gleich zum letzten Mal, denn der Auftritt sollte auch den Schlussstrich der Bandgeschichte markieren (zumindest lt. Vorankündigung, denn eine weiterer Auftritt steht beim Shadowplay Festival in Belgien nach am Programm...).
Eingeleitet mit klassischer Musik, passend unterlegt mit einem Nebelteppich, wie es sich für Düsterrocker gehört, ging es dann Schlag auf Schlag mit Klassikern wie „The Everlasting Dream“, „Johannesburg“ oder „Kiss & Tell“ zur Sache. Das Bowie-Cover „Heroes“ sollte dann das Ende des ersten Konzert-Abends markierten.
Für uns war aber natürlich noch lange nicht Schluss, es ging dann gleich weiter zur Moritzbastei, um im genialen Ambiente der alten Bastion noch etwas den Umsatz anzukurbeln...
Freitag, Centraltheater (ehem. Schauspielhaus)
Wohl eine der schönsten und gemütlichsten Locations des WGT! Hier kann man sich relaxt in die samtbezogenen Polstersesseln kuscheln und dem harren, was da kommen sollte.
Auch sehr positiv: Getränke durften mit in den Saal genommen werden!
Sieben
Der sympathische Matt Howden, alleiniger Bestreiter des Projektes „Sieben“, wirkte zuerst noch etwas verloren auf der riesigen Bühne, aber das sollte sich rasch ändern!
Und wie Matt dann, ohne zu Hilfenahme von Rechenknechten, seine Songs Schicht für Schicht auf der Bühne aufbaute, erweiterte und intensivierte war wirklich unvergleichlich!
Nur mit seiner Violine, die er mal als Trommel, mal als Geräuscherzeuger oder eben Streichinstrument verwendete, seiner Stimme und Effektgeräten erzeugte er mit Rhythmen und Schleifen eine Musikkulisse, mit der er das Publikum in seinen Bann zog.
Und es kam auch Leben in den Künstler, mal links, mal rechts der Bühne, dann wieder den Geigenbogen durch die Gegend wirbelnd bot Mat eine mitreißende Performance!
Die Krönung dieser einmaligen Darbietung war für mich neben „The Sun“ eine geniale Coverversion von Joy Divison's „Transmission“. Definitiv eines der besten Konzerte des diesjährigen WGT!
Black Tape For A Blue Girl
BTFABG bestehen seit dem Jahr 1986, Gründer Sam Rosenthal wird seit 2009 durch Athan Maroulis (Ex-Spahn Ranch) und 2010 durch Valerie Gentile (Ex-Crüxshadows) unterstützt.
Und so unterschiedlich die musikalische Herkunft der Bandmitglieder ist, so facettenreich gestaltet sich auch der Auftritt des Trios: Sänger Maroulis, in dezentem Anzug und anfangs mit einer Art Phantom-der-Oper-Maske, Gentile, die sowohl die gitarrenspielende Rocker-Lady als auch den lasziven Vamp im Programm hat, sowie Rosenthal, der hinter seinem Keyboard thront und auch mal in die Saiten der Akkustiggitarre greift.
Die Drei boten dann Stücke dar, die in den unterschiedlichsten Genres zu Hause sind, seien es Heavenly Voices, Dark Folk, -Cabaret, - Wave oder düster-bluesige Stücke, die an Nick Cave erinnern.
Alles in Allem eine abwechslungsreiche Show, die etwas Zeit brauchte, um in Fahrt zu kommen, dann aber zu begeistern wusste! Wer die Band noch nicht kennt, einfach mal reinhören, z.B.: „Sailor Boy“, „All My Lovers“ oder „The Pleasure in the Pain“,
Samstag, Felsenkeller
Auch wenn der Name prinzipiell etwas anderes erwarten lässt, handelt es sich hier um eine durchaus schöne Location, die eher an einen Theatersaal ohne Stühle, denn an einen Keller erinnert . (und vis-a-vis gibt es für die hungrigen Besucher gleich die Vleischerei, ein veganes Gegenstück zum Würstelstand vorm Felsenkeller. ;-))
Der Abend sollte ganz im Namen unserer südlichen Nachbarn, dem Land wo Pizza und Pasta gedeihen, stehen. Los ging's dann auch gleich mit den Süditalienern
Green Man
Anfänglich wirkte die 2-Mann-Besetzung noch etwas minimalistisch, so kam abgesehen vom Gesang und Bass zusätzlicher Sound von Konserve, später ergänzte noch eine Sängerin das Ensemble.
Trotz der nicht leichten Aufgabe, den Abend als 1. Band im noch etwas dürftig gefüllten Saal zu beginnen, konnten die Musiker doch etliche Anwesenden mit ihrem mediteran-orientalisch gefärbten Neofolk begeistern.
Egida Aurea
Weit voller wurde es dann mit der nachfolgenden Band auf der Bühne: 6 Männer und 2 Damen betraten die Szenerie um italienisches Liedgut, teilweise mit Akkordeonbegleitung, unter die Leute zu bringen.
Und das taten sie mit Elan und Begeisterung und waren somit für mich der erste Höhepunkt des Abends! Auch hier sehr italienisch gefärbter (Neo-)Folk, stellenweise an Camerata Mediolanense erinnernd, wenngleich mit weniger Bombast und Intensität.
Moon far away
Sowohl optisch als auch vom Herkunftsland fallen die nächsten Musiker etwas aus dem Rahmen des Abends: Die Mitglieder der russischen Formation kommen barfuß, in Jute-Kutten mit Kapuze und hölzernen Masken auf die Bühne.
Von der Sängerin, ausgestattet mit 2 Sicheln und begleitet vom Rhythmus von aneinander-geschlagenen Steinen, wurde zu Beginn eine Art Ritual vollzogen.
Auch der Rest des Konzertes gestaltete sich sehr mystisch und geheimnisvoll, passend dazu auch die Visuals im Hingergrund und der Sound, der zwischen Neo-Klassik/-Folk mit Heavenly Voices pendelte.
Spiritual Front
„Nihilist Suicide Pop“ nennt die Band selbst ihre Musik, unter „Mafia Folk“ wurde sie auch schon schubladisiert. Aber das Etikett ist im Prinzip egal und live machen SP eine Menge Spaß!
Frontmann Simone ist auf jeden Fall der geborene Entertainer und weiß das Publikum von Beginn an zu begeistern. Und so schmettert der gutgelaunte Sänger allseits bekannte Songs wie „Walk the Deadline“,
„Darkroom Friendship“, „Jesus died in Las Vegas“ oder „Bastard Angel“ gitarreschwingend in die Menge, im Hintergrund flirrte wie üblich ein alter Schwarz-Weiß-Film über die Leinwand.
Das war mein persönlicher Favorit vom WGT, und daher war der Auftritt natürlich wieder viel zu schnell vorbei!
Rome
Aufgrund des genialen und mitreißenden Auftritts von Spiritual Front war die Ausgangsposition von „Rome“ natürlich nicht die einfachste.
Trotz eines souverän und stimmungsvoll gespielten Sets gelang es leider nicht die Begeisterung im Publikum aufrechtzuerhalten, bis zuletzt wollte der Funke nicht überspringen.
In erster Linie lag das wohl an der Auswahl der dargebrachten Stücke. Jedes einzelne davon an und für sich wunderschöne Musik, die beseelt von der sonoren, tiefen Stimme von Sänger Jérôme eine einzigartige Magie und Atmosphäre zu verbreiten weiß. Aber leider hat man dann doch auf zu viel ruhige und noch unbekannte Titel gesetzt.
So beendete ein fast besinnliches Konzert den Abend, meiner Meinung nach wäre eine Reihung vor Spiritual Front besser gewesen.
Aftershowparty „Dunkelromantische Tanznacht“
Nur wenige Meter vom Felsenkeller entfernt befindet sich der Club „Jara“. Wer sich von den steilen und engen Stiegen nicht abschrecken lässt (vor allem für die Damen im viktorianischen Outfit etwas problematisch), dem eröffnete sich ein beeindruckender Gewölbekeller.
Von der Raumhöhe ganz imposant, war das Raumausmaß dann anfangs aber leider für die Menge an Leuten doch etwas zu gering bemessen.
Vor allem auf der Tanzfläche herrschte dichtes Gedränge, woran sicher auch die wundervollen aber teilweise sehr ausladenden Outfits nicht ganz unschuldig waren. ;-)
Musikalisch wurde eine abwechslungsreiche Mischung aus Mittelalter, Dark Wave, Neo-Folk, Neo-Klassik und Celtic/Nordic-Folk geboten.
Sonntag Nachmittag, Heidnisches Dorf
Ein Ausflug ins Heidnische Dorf darf natürlich auch nicht fehlen! Bei gutem Wetter ist aber leider mit einem Massenansturm zu rechnen, da hier auch Besucherkarten für Nicht-WGT-Gäste ausgegeben werden.
Aber mit etwas Geduld kann man doch noch ein freies Fleckchen am Grün ergattern und gemütlich am illustren Treiben teilhaben. Wenn einem nicht gerade die selbsternannte mittelalterliche Reinigungstruppe über den Weg läuft. Diese putzen zwar zur Belustigung der Umstehenden bemüht Schuhsolen, Schirme und sonstige Oberflächen, entsorgen aber auch Pfandbecher im Müllkontainer.
Für musikalische Unterhaltung ist natürlich auch gesorgt, auf 2 Bühnen treten abwechselnd Mittelalter-Bands auf und zahlreiche Stände bieten Speis und Trank sowie zahlreiche Devotionalien feil.
So wurde dann noch ein wenig dem heiligen Honigwein zugesprochen und etwas relaxt, um am Abend wieder einigermaßen fit für die Shows in der AGAR zu sein.
Sonntag, AGRA Halle Markt
Jetzt war dann auch mal ein Besuch des Grufti-Supermarktes am AGRA-Gelände fällig.
Inzwischen hat man hier den Eindruck, in einem Bastard aus Kirtag, Spielzeugshop, Basar und H&M gelandet zu sein.
Die Platzhirsche der Szene-Klamottenläden reservieren sich inzwischen einen beträchtlichen Quadratmeteranteil in der Halle und versuchen mit Prozenaktionen und Gewinnspielen die Kunden anzulocken.
Aber man findet auch nach wie vor außergewöhnliche und interessante Anbieter und Handwerker verschiedener dunkler Künste. Etwa eine Dame mit imposanten Hutkreationen, oder den Mann, der gleich vor Ort Vampirzähne anpasst und einsetzt.
Oder den Stand von Tanja (bekannt vom Nexus-Shop), die mit ihrer Marke „TBC - Thousand Beautiful Corpses“ kultige T-Shirts und schräge Outfits für Damen und Herren bei ihrem Stand im Angebot hatte sowie die salzburger Landsmänner vom Steinklang-Label und -Shop!
Sonntag, AGRA Halle
Zurück in der Konzert-Halle war der Abend nun den Freunden der dunklen Gitarren gewidmet.
Nosferatu
Ebenfalls eine Band, die ich noch nie live gesehen hatte und auf die ich auch schon sehr gespannt war. Leider ging's aufgrund technischer Probleme mit einer ziemlichen Verspätung los.
Sänger Louis DeWra, stilgerecht mit schwarzer Sonnenbrille, hatte dann auch zu Beginn noch Probleme mit dem Micro. Leider gab's dann aber aufgrund des späten Beginns auch nicht alle geplanten Stücke, trotzdem boten die Jungs eine solide Goth-Rock-Show, über die sich die Fans des Genres freuen konnten.
Anschließend gab's dann für mich statt Eisbrecher eine Becher Bier und gebratene Nudeln im Außenbereich, denn ein wenig feste Nahrung muss dann doch an und ab mal sein. Und das Angebot diesbezüglich ist nicht schlecht, es gibt inzwischen auch schon eine gute Auswahl an vegetarischen Gerichten bei den Ess-Ständen!
Killing Joke
Der Klassiker: „Requiem“ hämmerte gleich zu Beginn aus den Boxen und Jaz Coleman, im kleidsamen Camouflage-Strampler und tiefrot geschminktem Gesicht, gab den Verkünder der Apokalypse.
Mit „Love Like Blood“ folgten dann auch gleich der wohl größte Hit. Jaz widmete diesen dem 2007 verstorbenen Bassisten Paul Raven, der unter anderem auch für das Bass-Riff dieses Songs verantwortlich zeichnete.
Sehr brachial und druckvoll dann auch weitere Nummern wie „Wardance“, „The Wait“ oder „Pandemonium“. Post-Punk und Industrial-Rock von den Urvätern wie er sein muss und somit ein weiteres Highlight des diesjährigen WGT!
Fields of the Nephilim
Zuletzt 2008 in der Agra-Halle aufgetreten zeigten sich die Fields gewohnt geheimnisvoll, verborgen hinter Nebelschwaden, und wie üblich auch total unkommunikativ.
Sehr schwierig war es dann auch, bei dem vielen Nebel, wenig Licht und der Abwesenheit von Mr.McCoy beim ersten Song („Shroud“) brauchbare Bilder zu bekommen (man darf ja nur während der ersten 3 Songs fotografieren!).
Für mich war es nun die dritte Show während der letzten 3 Jahre und daher leider nur mehr wenig spannend.
Keine Frage, Carl hat eine tolle Live-Präsenz, die Stimme ist sowieso nicht zu toppen aber es gab halt so gut wie keine Überraschungen. Bleibt nur zu hoffen, dass Carl nicht dem Sisters-Effekt anheim fällt und vielleicht doch auch mal wieder etwas Neuerungen und Abwechslung in die Show packt!
Recoil
Das ganze „Konzert“ zu nennen trifft den Kern der Sache nicht wirklich, Alan Wilder (Ex-Depeche Mode) und Paul Kendal präsentierten eine erweiterte Fassung ihres ‘A Strange Hour’-Sets.
Was quasi so viel wie eine Live- Multimediashow bedeutet. So sind die beiden und ihr Elektronik-Equipment auch auf einem Tisch am rechten Bühnenrand positioniert.
Und so war Paul meist hinter seinem Apple verschanzt und Alan fand genug Zeit vergnügt sein(e?) Bierchen zu trinken und dem Publikum gutgelaunt zuzuprosten.
Höhepunkte gab es dann mit einer Version von „Never Let Me Down“ und dem Auftritt von Douglas McCarthy (Nitzer Ebb) mit „Family Man“ und „Faith Healer“.
Montag, Kuppelhalle
Auch eine wunderschöne Location, und da wir die Chance nutzen wollten, einen der begehrten Sitzplätze zu bekommen, waren wir auch rechtzeitig vor Ort. Leider war's dann nichts mit dem angekündigten Einlass um 17:00 Uhr, es folgten noch 20 min. Wartezeit vor dem Eingang und nochmals 20 min. vor der eigentlichen Veranstaltungshalle...
Aber das Warten hat sich dann doch gelohnt, Sitzplätze wurden in Beschlag genommen und so konnte ein entspannter und interessanter Konzertabend kommen!
In The Nursery
Bereits seit Anfang der 80er aktiv, können INT auf zahlreiche Auftritte und Veröffentlichungen zurückblicken.
Sphärische und neo-klassische Sound-Teppiche, sowie martialische Trommeln sind das Markenzeichen der Band. So waren dann auf der Bühne ein eher klassisches Drumset sowie ein weiteres Set mit Pauken, Becken und 2 großen taiko-ähnlichen Trommeln plus ein Keyboard zu finden.
Bei stimmungsvoller Lichtshow, viel Nebel und sehr gutem Sound konnten sich die anwesenden Besucher über Tracks wie „Cobalt“, „Compulsion“ und natürlich „Bombed“ erfreuen.
Lustmord
Brian Williams, ein Pionier des Dark-Ambient, hat in der Vergangenheit mit zahlreichen illustren Künstlern aus dem Industrial und Neo-Folk Umfeld kollaboriert und genießt einen gewissen Kultstatus.
So gerne ich mich auch mal von dunklen Soundcollagen umhüllen lasse, gab das dann trotz stimmiger und großartig gemachter Visuals auf Konzertlänge etwas wenig her. So wob mir Williams mit Hilfe eines Apple-Notebooks an seinem düsteren Klangteppich, schaute ab und an mal in das Publikum, bedankte sich nach einer Stunde artig und war dann wieder weg...
Inade
Eine interessante Sache ist bei Konzerten in der Kuppelhalle, dass es neben der Mainstage noch eine Bühne in der so genannten „Kantine“ gibt.
Und wer will kann quasi nach jeder Band nahtlos in den anderen Raum wechseln und dann wieder zurück.
Ebenfalls im Dark-Ambient Genre angesiedelt gab's hier 2 Protagonisten auf der Bühne, 2 Apple-Computer und ebenso Visuals.
Aber diesmal auch etwas mehr Bühnenaction, da hier sowohl live in die Gitarrenseiten gegriffen sowie ein Blasinstrument bemüht wurde. Musikalisch ging's aber in ähnlich dunkle Soundgefilde wie bei Lustmord.
Chris And Cosey
Weit spannender gestaltete sich der nächste Act. Als ehemalige Mitglieder der Industrial-Institution „Throbbing Gristle“ starteten Chris Carter und Cosey Fanni Tutti 1981 ihr eigenes Projekt. Mit eben diesem begeisterten sie auch das noch immer sehr zahlreich anwesende Publikum.
Auch hier gab es wieder Visuals im Hintergrund, aber hier war es nur ein unterstützdendes Element zur dynamischen und abwechslungsreichen Musik. Treibende Beats, Samples und Soundcollagen, sowie Coseys Sprechgesang (der dem von Anne Clark nicht unähnlich ist) luden zum Mitwippen ein.
Während Chris heftig an Tastaturen und Controllern herumschraubte, zeichnete Cosey neben den Vocals noch für e-Drums und Kornett (eine Art kleine Trompete) verantwortlich.
Zum Abschluß stand dann nochmals in die Moritzbastei am Plan, die Batterien waren aber schon ziemlich leer und die Heimfahrt stand am nächsten Tag auch noch bevor. So ging's dann schon bettwärts, als noch viele den Abschluß des Pfingswochenendes feierten und zelebrierten.
Résumé: Wieder ein sehr abwechslungsreiches Wochenende, vielen Bands, Parties und netten Leuten.
Wer noch nie da war, sollte sich das mal ansehen und sich selbst eine Meinung bilden.
Ich hab' das Hotel auf jeden Fall schon mal für nächstes Jahr reserviert!
Eraserhead (unterstützt von Nachtvogel)
Kommentare
das Foto zum Artikellink finde ich auch sehr schön.
also von der show und performance fand ich black tape sehr gut, musikalisch sind sie halt teilweise sehr sperrig und ein ziemlicher stilmischmasch...
Also ich find schon mal das Foto, das überm Link zum Beitrag auf der Startseite abgebildet ist, ganz toll!
Dass das Hotel schon für nächstes Jahr reserviert ist, ist eh klar, wir haben aber eh gleich 2 reserviert, falls eines noch kaputt würde zwischendrin! :-D
Denn allein um die durch Überschneidungen zwangsweise versäumten Lieblingsbands in den nächsten Jahren wieder zu sehen braucht man die nächsten 3 WGTs!
Dass man aber lobende Worte für den Auftritt von Black Tape for a Blue Girl finden kann überrascht mich! Das war in meinem Empfinden eine DER Konzertenttäuschungen dieses WGTs, das einzige was ich daran positiv finden konnte war, dass sie All my Lovers gespielt haben... ;-)
Ansonsten waren für mich die (erwartbaren) Highlights des WGTs die Auftritte von Sieben, Monica Richards, Estampie und In the Nursery, ein unerwartetes Highlight war Empyrium (aber nur für die die nicht wie Dracula aufs Kreuz aufs pöhse M-wort die Teekanne konvulsieren :-P )
danke herr schall für die freundlichen worte. ;-)
hm,steve quasi inkognito am WGT und apple heimlicher sponsor.
ja, das macht natürlich sinn und würde auch die hohe anzahl an macs erklären, die dieses jahr auf den bühnen rumgestanden haben...
Sehr guter Beitrag und die Einleitung ist echt gut geschrieben.
*lol*
wobei "Brian Williams" in Wirklichkeit natürlich Steve Jobs ist, was man auf dem Foto auch gut erkennen kann