Bereits zum 18. Mal wurde Leipzig zur Hochburg der schwarzen Szene, wobei sich dieses Mal 21.000 BesucherInnen im Sachsendreieck einfanden.

Das Pfingstwetter ließ dieses Mal etwas zu wünschen übrig, und obwohl bisher noch jedes Jahr mit Regen zu rechnen war, fehlten dieses Mal ausgedehntere Sonnenphasen. Denn spätestens, wenn man nachts am Campingplatz friert, freut sich auch der düsterste Grufti über ein paar wärmende Strahlen auf seinem Zelt und trägt dafür unter Tags halt ein wenig mehr Sonnencreme auf.

Abseits der tapferen Menschen, die am Agra-Gelände übernachten (im WGT-Chargon auch „Zelthelden“ genannt), sind viele BesucherInnen seit Jahren vom Komfort eines Hotel- oder Hostelzimmers überzeugt (im WGT-Chargon: „Hotelzicken“). Was dazu führt, dass sich Interessierte ihr Zimmer für nächstes Jahr bereits lange im Voraus reservieren, da zu dieser Zeit die Stadt mit der halben Million EinwohnerInnen meist restlos ausgebucht ist.

Dieses Jahr gab es mit 192 Bands und KünstlerInnen an der Bandauswahl wenig zu meckern. Zumindest für jene, denen zwei bis drei Konzerte am Tag reichen, dürfte aufgrund des breiten Spektrums der Stilrichtungen genügend dabei sein. Denn Leipzig ist seit Jahren nicht nur Schauplatz für Konzerte, sondern bietet darüber hinaus Lesungen, Theateraufführungen, Kinopremieren, einen Mittelaltermarkt sowie viele eigenhändig organisierte Treffen und Parties. Zu letzteren gehören z. B. das jährlich stattfindende Viktorianische Picknick, ein Treffen der alternativen Näh-Community Natron und Soda (traditionellerweise Samstags um 15.00 h) sowie ein Treffen amerikanischer, britischer und anderer internationaler Gäste (Donnerstag Abend im Gasthof Bayrischer Bahnhof). Für viele haben sich diese selbst organisierten Treffen als Fixpunkt etabliert und sind abseits des offiziellen WGT-Programms Grund genug, auch mal für nur einen Tag anzureisen.

Positiv anzumerken ist, dass für die Absage einzelner Bands (z.B. Grendel) Ersatz gestellt wurde (z.B. Project Pitchfork). Für schwerwiegende Fans dieser Gruppe sicherlich Grund zu meckern, für alle anderen aber wohl nur ein kleines Schulterzucken wert. Wie immer war auch dieses Jahr das Programm relativ knapp online, was ohnehin die perfekte Planung bei der persönlichen Bandauswahl verunmöglicht. Dazu kommt, dass man für die meisten Veranstaltungen, die mehrere BesucherInnen anziehen könnten, mindestens eine Stunde früher am entsprechenden Ort erscheinen sollte (bei manchen Räumen wie dem Schauspielhaus sind sogar eher zwei Stunden zu empfehlen), um sich hinterher nicht über lange Warteschlangen und das Versäumen der Lieblingsband zu ärgern. Insgesamt hat sich aber hier die Warte-Lage – so mein subjektiver Eindruck bei den Massenveranstaltungsorten Agra-Gelände oder Kohlrabizirkus – ein wenig verbessert. Mit einer vergrößerten Zahl an Orten (es waren dieses Jahr fast 30 im ganzen Leipziger Stadtgebiet) wollte das der Veranstalter wohl auch erreichen. Hier sollte allerdings auch festgehalten werden, dass die Verfasserin an den meisten großen Headliner-Bands eher weniger interessiert war. Das Antesten kleinerer Spielorte ist jedenfalls nach wie vor zu empfehlen, nicht zuletzt, weil die zwei großen Hallen, insbesondere der Kohlrabizirkus, nicht gerade eine bahnbrechende Akustik bescheren.

Immer wieder begeisternd und für WienerInnen gleichzeitig etwas ungewohnt ist die Freundlichkeit der Leipziger, welche sich an das schwarze Stadtbild mittlerweile schon gewöhnt haben und bis auf einige Ausnahmen bemüht sind, sich auf die Gäste einzustellen. Dass sogar einige Taxifahrer Musik bereithalten, die ihnen passend für die dunklen BesucherInnen erscheint, ist auch nicht auf jedem schwarzen Festival der Fall. Und zwischenzeitlich sind manche Verkaufsgegenstände in Schaufenstern so auffällig drapiert, dass man fast sicher gehen kann, dass hier für die Zeit des Festivals eine spezielle Produktpräsentation arrangiert wurde.
Ebenfalls praktisch waren die Richtungsangaben auf den Straßenbahn-Anzeigetafeln für die größeren Veranstaltungsorte, was für alle, die zum ersten Mal in der Stadt waren, sicherlich eine Hilfe war und darauf verweist, dass sich das Festival mittlerweile durch eine ausgeprägte Zusammenarbeit mit der Stadt Leipzig auszeichnet. Am Donnerstag konnte man beispielsweise auf den Anzeigetafeln schon lesen: „Herzlich willkommen zum 18. WGT“. Kleine Gesten, die vielleicht unwichtig erscheinen, aber dennoch zu dem Gefühl beitragen, dass es sich um ein Festival handelt, das nicht nur an einem dafür vorgesehenen Ort, sondern in der ganzen Stadt stattfindet. Und mit ein Grund, warum das Herumflanieren für Style-Freaks und Schaulustige wohl ein so großer Anreiz ist. Leipzig gilt mittlerweile unbestritten als das Festival mit Styling-Schwerpunkt unter den Gothicveranstaltungen. Und auch, wenn nicht jedeR den schrillen Stil von Neon-Cybergothics mit Mundschutz und „Klotzstiefeln“ teilt und den Fokus auf das Gesehenwerden als Versuch einer szeneinternen Abgrenzung durch Äußerlichkeiten wertet, so sind selbst die schlechtesten Outfits und seltsamsten Ausprägungen einer Subkultur immer wieder ausgesprochen unterhaltend und szenenahe FotografInnen mitten im Paradies. Und schließlich gibt es ja auch noch genügend Personen, die uns den Glauben an den guten Geschmack nicht ganz verlieren lassen und nach wie vor eine schwarze Augenweide sind. Aber auch in Bezug auf klassisch-edle Outfits in Reifröcken wurden schon Gegner gesichtet – so z.B. eine Gruppe, die Shirts mit der Aufschrift „No hoop skirts – WGT 2009“ trug. Über Geschmack lässt sich offensichtlich auch im schwarzen Leipzig jedes Jahr wieder streiten.

Für Zugreisende bestand dieses Mal schon am Hauptbahnhof die Möglichkeit, das Festivalbändchen zu erwerben. Zwar kamen mir einige Beschwerden über seltsame Zwischenfälle mit Securities zu Ohren, ich selbst habe aber diesbezüglich nur freundliche bis neutrale FestivalmitarbeiterInnen erlebt.
Wer wollte, konnte übrigens auf diversen Vorveranstaltungen schon am Donnerstag nach der Anreise in Partystimmung kommen. Interessanterweise kam man an diesen Tag nur mit WGT-Karte in die Moritzbastei, weshalb man eigentlich schon von einem 5tägigen Treffen sprechen könnte.

Freitag, 29.5.2009

Man sollte jedes Jahr zumindest einmal im Volkspalast in Leipzig gewesen sein. Der Veranstaltungsort besitzt eine nette Akustik, trotz vollem Haus wird es bei Konzerten nie allzu eng, und durch die Treppen in der Kuppelhalle findet man meist immer einen Platz mit halbwegs guter Aussicht.
Am Freitag gab es dort einen Neofolk-Schwerpunkt, den die Salzburger Jännerwein (ehem. Neuland, der neue Bandname ist inspiriert von dem Volkslied über den Wildschütz Jennerwein) eröffneten. Alles in allem und besonders hinsichtlich der Tatsache, dass die Band abseits der Vorprojekte erst seit 2008 live spielt, war das Konzert ein gelungener erster Auftritt am WGT, der unpeinlich und authentisch wirkte und bei dem man sich für die Bezeichnung „Alpin-Folk“, die der Band oft zufällt, sicherlich nicht schämen muss.
Es folgte das dänische Projekt Of the Wand and the Moon rund um den Sänger Kim Larsen, die ein routiniertes Konzert ablieferten und deren ruhige und melancholische Akustikklänge besonderes gut mit dem Schauplatz harmonierten. Zum WGT erschien auch ein neues Album des Sängers (Solanaceae), von dem auch einige Lieder zum Besten gegeben wurden. Zwischendurch konnte man auch über die in Runen geschriebene Aufschrift an der Gitarre von Larsen rätseln, die, wie meine Recherche ergab „Politics are for People who can’t run their own lives“ bedeutete. Gerade im Kontext der Diskussionen über eine eventuelle Politisierung des Treffens, die nach dessen Ende aufkamen, ein Statement, das man nun gut finden kann oder nicht, das aber auch das Nebeneinander von politischen und apolitischen Haltungen der KünsterInnen am Treffen anzeigen könnte.

Es folgte ein Ortswechsel zu Die Form ins Werk II (Tipp: Bus statt Straßenbahn), für die man leider auf Rome verzichten musste. Ein solcher Standortwechsel ist immer ein Risiko am WGT, hat aber in diesem Falle reibungslos und ohne Anstellen geklappt, obwohl immer wieder von einer Überfüllung der Halle die Rede war.
Der Auftritt von Die Form war größtenteils ohne Überraschungen und traf die gesetzten Erwartungen. Leider wirkte die Show der seit 1977 existenten Franzosen wohl nur aus den ersten Reihen wirklich gut, weil man aus dem hinteren Feld von der tänzerischen Begleitung und den Visuals etwas weniger beobachten konnte. Vor die Bühne wurde zudem ein Metallzaun gestellt, der die sich dahinter bewegenden, grell beleuchteten Gestalten als Gefangene eines Käfigs situierte. Die Bilder auf der Leinwand zeigten großteils abstrakte Formen und Bilder mit den Themenschwerpunkt Körpererotik, Natur und Technik, was sich gut in die elektronischen Klänge, den Gesang von Eliane P. und die Tanzeinlagen einfügte und erahnen ließ, warum die Band ursprünglich als Bdsm-Live-Act gegründet wurde. Gegen Ende kam schließlich dann auch Philippe Fichot (der aufgrund seiner aufwendigen Maske auch ein Double hätte sein können) auf die Bühne und tanzte mit. Was die Playliste betrifft, spielte man eine Stunde lang hauptsächlich bekannte und tanzbare Nummern – angesichts des Ortes und des Zielpublikums wohl auch ein verständliches Vorgehen.

Danach ging es aufgrund einiger persönlicher Empfehlungen und der Tatsache, dass dieser Klub nur an einem Abend Programm hatte, zur Glitter+Trauma Queer Wave Party in den sogenannten SWEAT-Club. Ein Ort, der seinem Namen alle Ehre macht. Es handelt sich dabei um einen sehr kleinen, überfüllten Klub mit winzigem Konzertraum (der ebenso gut der Eingang eines Darkrooms hätte sein können bzw. sich hinter einem Vorhang versteckte). Aufgrund meiner dort ständig beschlagenen Brille kann ich über die Vorgänge in diesem Kellerlokal nur wenige schummrige Aussagen treffen, es bleibt jedoch ein Eindruck von schwitzenden und schillernden Personen, denen die Enge und Hitze des Raumes wohl wenig auszumachen schien und die alle trotz der Enge überaus guter Laune waren. Dennoch eine nette Idee für eine bestimmte Zielgruppe, wobei man aufgrund der vielen Interessierten die Ausweitung auf zwei Abende überlegen könnte.

Samstag, 30.5.2009

Für einen gemütlichen Konzertabend-Auftakt ging es an diesem Tag in den Anker, der mit ein paar 100 Leuten Fassungsvermögen meist ein gemütlicher Veranstaltungsort ist. Ostara präsentierten dort sowohl altes als auch neues Neofolk-Material als Akustik-Set, wobei man sich darüber streiten kann, ob der Begriff Neofolk für diesen Stil überhaupt noch angemessen ist, da seit der Umbenennung bzw. Unstrukturierung der Band (aus Strength Trough Joy) eine deutlich poppigere Ausrichtung der Musik zu verzeichnen ist. Auf der Bühne wurden aber mit drei Gitarren sowohl alte als auch neue Stücke zum Besten gegeben, und auch an Akustik und Gesang gab es nichts auszusetzen. Als Zugabe gab es mit dem älteren „Proud Black Templar“ schließlich eine nette A-cappella-Einlage von Richard Leviathan.
Headliner im Anker war an diesem Abend 6Comm um Patrick Leagas, dem ehemaligen Drummer und Sänger bei Death in June. Dass einige Titel der Band in leicht abgewandelter Form auch in seine eigenen Konzerte integriert werden, war auch in Leipzig der Fall. Auch auf dem kürzlich erschienenen Album „Like Stukas Angels fall (Retrospective 1984 – 1990)“ lassen sich viele Klassiker wie „Torture Garden“ oder „The Calling“ entdecken. Genau in diese Richtung bewegte sich auch das Konzert, bei dem sich Leagas mit Stahlhelm und Vollmontur zwischen seinen Instrumenten bewegte. Es gab keine Gastmusiker, doch kamen Mundharmonika, Magnetfelder und Melodica zum Einsatz. Der Höhepunkt des Auftritts war für mich die Variante des zwar schon viel zu oft gehörten, in dieser Variation aber trotzdem erfrischenden „Torture Garden“, dem ein paar neuere Nummern (z. B. „Let the Moon Speak“) folgten, was auch notwendig war, um das Konzert nicht zu einem retrospektiven DIJ-Abklatsch verkommen zu lassen. Teilweise waren es sehr elektrolastige Versionen (z. B. „Niflheim“), was mit dem kraftvollen Gesang aber gut harmonierte. Leagas lies schließlich eine Zugabe vermissen, spielte aber gegen Ende das Fragment „Like Stukas Angels Fall“, was ein würdiger Abschluss eines gelungenen Konzertes war.

Danach ging es mit dem Taxi in die Agra-Halle, denn zu Current 93 as Anok Pe Current 93 wollte man natürlich nicht zu spät kommen, gleichzeitig erwartete man ob des Bekanntheitsgrad der Band zahlreiche BesucherInnen. Dass das angekündigte Mitternachtsspecial um 1.30 h stattfand, ließ eventuell doch einige Leute aus Müdigkeit fernbleiben, weshalb die sterile Agra-Halle dann doch weniger überfüllt als befürchtet war und beizeiten der Eindruck aufkam, dass vielen BesucherInnen gar nicht so klar war, wer da jetzt eigentlich spielte. (Man beachte: Vorher spielten Feindflug und VNV Nation). David Tibet machte aber mit seinen BühnenkollegInnen mit das Beste aus einer eher ungünstigen Veranstaltungshalle, und gab ein hervorragendes, eher rockig bis doomig angehauchtes und sehr gitarrenlastiges Konzert mit einem kompletten Musiker-Aufgebot (9 an der Zahl, unter ihnen z. B. Baby Dee, Alex Nielson, James Blackshaw, John Contreras), das definitiv zu den Höhepunkten des diesjährigen Treffens gehörte. Begrüßt wurde das Publikum mit einem Schlager mit anschließendem Noise-Gewitter. Man bekam viele Titel des aktuellen Werkes zu hören, aber auch ältere und ausgesuchte Klassiker wie „Black Ships Ate the Sky“ oder „Sleep Has His House“ wurden von Tibet mit der für ihn und seine Musiker typischen musikalischen Besessenheit dargeboten. Zum Abschluss gab es neben „Oh Coal Black Smith“ das emotionalere „Niemandswasser“, das ebenso wie das endgültige Ende des Konzertes ein sehr unwirkliches, aber schönes Gefühl hinterließ. Anok Pe Current 93 steht übrigens für eine aktuelle Trilogie, die mit der Ausstellung „Invocation of Hallucinatory Mountain (Some gnostic Cartoons)“ von Tibets Werken in London 2008 begann. Nach der Vinyledition von „Adam at Docetic Mountain“ wird man wohl wieder (vorläufig?) zum altbekannten Namen zurückkehren.

Sonntag, 31.5.2009

Ja, es gibt sie, die konzertlosen WGT-Tage. Teils, weil das Line-up an den vorherigen Tagen schon gut genug war, teils, weil man auch Zeit braucht, die anderen Angebote des Festivals zu nutzen oder alte Bekannte und FreundInnen zu treffen. Daher stand an diesem Tag nur der Besuch des Café Schiller neben dem Schillerpark in der – tadaa: Schillerstraße (An dieser Stelle übrigens eine ausdrückliche Empfehlung: Hier gibt es nicht nur gute Küche, sondern auch KellnerInnen mit Humor! (www.schiller-cafe.de) Ach, und wenn wir schon dabei sind: Das Thai-Takeaway in der Grimmaischen Straße ist auch nicht schlecht!) sowie ein Kinofilm und die traditionell am Sonntag stattfindende Fetischparty auf dem Programm.

Gerade, wenn man in der Innenstadt untergebracht ist und einen Nachmittag oder Abend aufgrund mangelnden Band-Interesses oder Energiehaushaltsdefiziten weniger eingeplant hat, empfiehlt sich ein gratis-Besuch des Cineplex am WGT. Dieses Jahr bot sich z.B. Repo! The Genetic Opera an, ein als Rockoper gestalteter Horrorfilm mit Elementen aktueller Gothic- und Alternativemode und Stars wie Paris Hilton (Amber Sweet) und Nivek Ogre (Pavi Largo) von Skinny Puppy. Der Film lief in den USA Ende 2008 an, wurde hierzulande aber als Premiere angekündigt. Für Interessierte kurz der Inhalt: Im Jahr 2056 ist die Menschheit von Organversagen und einem daraus resultierenden Massensterben konfrontiert. Ein Konzern bietet Ersatzorgane gegen Kreditfinanzierung an, doch wer den Zahlungen nicht Folge leisten kann, wird von den „Repo-Men“ heimgesucht, die das eingepflanzte Organ für den Konzern wieder zurück ergattern.

Anschließend ging es in den Volkspalast zum Fetischtreffen namens Obsession Bizarre, bei der man bis 3.00 h nachts immer noch Schlange stehen musste (die aber innerhalb einer halben Stunde zu bewältigen war) und aufgrund dessen wir die meisten der angekündigten Shows verpasst haben. Machte aber nichts, da dieses Treffen weniger klassisches Bdsm-Event als Treffpunkt ist und bis auf die Separés im ersten Stock mit Spielmöglichkeiten (die dort aber besser als vor zwei Jahren situiert waren) und ein paar Showeinlagen ein großes WGT-Treffen mit Dresscode-Bestimmung ist. Angeblich wurden hier 400 Leute wegen Nicht-Einhaltung des Dresscodes abgewiesen, wobei die subjektiven „Auswahlkriterien“ bei vielen BesucherInnen wieder auf großes Unverständnis stießen, als beispielsweise ein männlicher Besucher in voller Lederkluft wieder heimgeschickt wurde. Hier sollte man dann vielleicht noch an der einheitlichen Einschulung diverser MitarbeiterInnen arbeiten, andererseits sind mir wenige Fetischveranstaltungen bekannt, bei denen dieses Problem nicht für Diskussionen sorgen würde. Da das Treffen aber den Schwerpunkt definitiv auf andere Punkte setzt, sind diese Vorfälle meiner Ansicht nach verschmerzbar – wer wirkliches Interesse an dieser Veranstaltung hat und sich entsprechende Mühe mit seinem Outfit gibt, wird auch am/an der strengsten TürsteherIn mühelos vorbeikommen. Musikalisch wurden hier viele Stile angespielt, der Fokus lag aber auf tanzbarer Musik, wobei wohl versucht wurde, für unterschiedliche Geschmäcker etwas zu bieten.

Montag, 1.6.2009

Mangels geeigneter Kapazitäten des Schauspielhauses landete man am letzten Konzerttag wieder im Volkspalast, wo an diesem Abend ein Dark Ambient-Schwerpunkt gesetzt wurde. Diese Entscheidung entpuppte sich als sehr angenehm, da gerade wegen der Nicht-Überfüllung und des bevorstehenden Regens nur wenige BesucherInnen ihren Weg dorthin gefunden hatten und somit eine sehr ruhige, angenehme Atmosphäre herrschte. Wir kamen gerade rechtzeitig für die letzen beiden Bands, Herbst9 und Troum.
Henry Emich und Frank Merten alias Herbst9 sind bereits seit einigen Jahren in der Dark Ambient-Szene bekannt und hatten sich live Unterstützung geholt. Eher ruhige Ambient-Melodien sowie sehr düstere und rituell anmutende Klänge wurden dabei mit mal mehr, mal weniger rhythmischem Trommeln kombiniert. Meine Müdigkeit an diesem Abend tut ihr übriges, trägt aber dazu bei, sich besonders gut in die Klänge fallen lassen zu können, die natürlich in der Kuppelhalle und mit den eher wenigen BesucherInnen ein besonderes Ambiente erzeugen.
Es folgte die Darbietung von Troum, bei der sich die Halle etwas füllte – vielleicht, weil auch einige andere das hoffnungslose Warten vor dem Schauspielhaus auf Camerata Mediolanense aufgegeben hatten. Troum ist, wie unschwer zu erraten ist, ein altdeutscher Begriff für Traum. Die eher elektronische Darbietung wurde bei diesem Konzert durch ein Didgeridoo und ein Horn ergänzt, was insgesamt eine sehr starke Wirkung erzielte. Alles in allem ein sehr guter Dark Ambient-Abend, den wir leider aufgrund des Headliners im nahe gelegenen Kohlrabizirkus etwas frühzeitiger als nötig verließen.
KMFDM (USA) waren letztendlich ein wenig enttäuschend, vielleicht hatte ich aber aufgrund eines genialen Konzertes in kleinerem Rahmen in London 2006 zu viele Ewartungen an die Band gehabt. Die Akustik im Kohlrabizirkus (ein Ort, dessen Name übrigens einfach nicht ins Englische zu übersetzen ist!) ließ zu wünschen übrig und insbesondere den Gesang der Sängerin etwas zu schrill und schal daherkommen, sodass ich schon fast annahm, KMFDM hätten ihre Sängerin Lucia durch ein Double ausgewechselt. Vielleicht musste man aber auch für diese Art des Sounds ein wenig mehr Bier oder weniger Müdigkeit intus haben, denn die Band brachte durchaus Stimmung in die große, gut besuchte Halle und der ein oder andere Ohrwurm hallte durchaus nach („Looking for Strange, „Hau Ruck“, „Bait and Switch“). Auch die Show war überaus energiegeladen und der Funke sprang auch auf das Publikum über, das sich zum Tanzen und Pogen animieren ließ.

Abschließend ging es noch zur sogenannten WGT-Pogo-Party, die einige Straßenbahnstationen nördlich vom Hauptbahnhof organisiert war und mit einem hervorragenden DJ-Set der WienerInnen von Crazy Hospital ein wunderbarer Ausklang war – inklusive Barbecue-Grill inklusive Tofu-Würstchen inklusive nettem Leipziger am Grill.

Einziger Schatten eines nach wie vor gut organisierten Festivals waren dieses Jahr die Diskussionen, die notgedrungenerweise nach einem Aufruf der Band ASP aufkamen. In einem offenen Brief bat diese die Festivalleitung um eine Stellungnahme zur Gestaltung der Obsorgekarte des 18. Treffens, auf der in charakteristischer Darstellung eine Sonne mit 12 Siegrunen dargestellt ist, die „allen seriösen wissenschaftlichen Erkenntnissen nach“ zum ersten Mal in der von Heinrich Himmler dahingehend umgebauten Wewelsburg auftauchte. Auch die Doppelbödigkeit eines T-Shirts mit der Aufschrift „Ich bin ein WGTarier“ erregte Unmut und führte zu Debatten, da man statt dem Wortspiel Vegetarier „WGT-Arier“ zu lesen glaubte. In der Stellungnahme von Seiten des Festivals wurde auf Symbolstrukturen verwiesen, die ein uraltes Symbol der Sonnenfinsternis, das als Licht der Erkenntnis und Erleuchtung verehrt wurde, reflektierten. Unmittelbar danach hat sich zu dem Thema eine heftige Diskussion in verschiedenen Foren entwickelt, in der einmal mehr der Gebrauch und die Verwendung mystischer Symbole und deren Problematik debattiert wird. Ob es weitere Klärungen von Seiten der Festivalleitung geben wird, warum ein derart umstrittenes und aus heutiger Sicht klar negativ behaftetes Symbol gerade auf der Obsorgekarte abgedruckt werden musste und ob diesbezüglich keine negativen Reaktionen erwartet wurden, bleibt abzuwarten. Bands wie Tyske Ludder sind beispielsweise der Überzeugung, dass hier „definitiv keine faschistische Absicht vorlag und von Seiten des Designers einfach völlig unbedarft gehandelt wurde“ (26.6.2009, Interview mit dem Terrorverlag (http://www.musik.terrorverlag.de).

Angesichts der immer schon vorhandenen Vielfalt der BesucherInnen und Veranstaltungen ist jedenfalls anzunehmen, dass auch das 19. Wave-Gotik-Treffen wieder eine große Bandbreite an KünstlerInnen bieten wird, von denen unter Umständen manche Tendenzen zur Provokation unterschiedlicher Personengruppen und deren Ansichten aufweisen könnten. Es ist letztlich nicht zu hoffen, dass die Diskussionen rund um die unglückliche Kartensymbolik hier Öl ins Feuer gewaltbereiter Gruppierungen gießen.