Das 10. Wave-Gotik-Treffen, Europas grösste Zusammenkunft der Schwarzen Szene, ist vorüber. Rund 17 000 Besucher (offizielle Zahlen), deutlich weniger als im vergangen Jahr, fanden sich diesmal in Leizpig ein, um vier Abende gemeinsam zu feiern und abzutanzen. Nach der Pleite im Vorjahr (das Festival wurde vorzeitig beendet, viele Künstler traten nicht auf da sie keine Aussicht auf Gage hatten) und erheblichen Pannen die Jahre zuvor scheuten wohl viele das &quotf;Risiko" (neuer Veranstalter, In-Move, neues Glück) des WGT Besuches. Überhaupt wurde das Programm und die Anzahl der Locations deutlich (wohl auf ein überschaubares Mass) abgespeckt.

Der berüchtigte Spiessrutenlauf um die Bändchenausgabe, die schon immer für Aufruhr sorgte, verlief diesmal erstaunlich gut und schnell: Die Ausgabe begann schon Donnerstag Nachmittag, zuerst bei Werk2, dann etwas später, am Agra Gelände. Seltsamerweise konnten aber die für den Campingplatz notwendigen Bänder nur am Agra Gelände erworben werden, was für die Camper das Anstellen am Werk2 doch zu einem Hohlweg machte, bis man freundlicherweise entsprechende Hinweisschilder zur genauen Info anbrachte. Weil von Donnerstag Mittag an (an diesem Tag gab es ausser einigen Parties noch keine Veranstaltung) langsam die Besucher eintrudelten, gab keine langen Warteschlangen, keine Ohnmächtigen, die Opfer des Gedränges vor den Schaltern wurden, nein, es schien so als hätte man aus den Fehlern vergangener Jahre gelernt. So wurden an mehreren Orten in Leipzig Bändchenausgaben organisiert, Leute die schon eine Karte im vorhinein hatten, konnten vorerst mal in Ruhe auf den Zeltplatz um ihre vorübergehenden Behausungen für die nächsten paar Tage aufzubauen.

Ganz erspart blieb einem das Herumrennen dann doch nicht: Die rund 850 ATS Schilling teure Karte ermöglichte zwar den Zugang zu allen Veranstaltungen des WGTs, für die Campingplatznutzung musste man allerdings nochmal 415 ATS locker machen und sich erneut anstellen. Die Campingplatznutzung war an ein "Obsorge" Paket gekoppelt, das es ebenfalls gesondert abzuholen galt. Das Obsorge Paket enthielt neben der "Obsorge Karte" (Berechtigung für das "Zeltplatz Bändchen und Netzkarte für die Leipziger Linien über alle Tage) eine CD (Sampler mit viele Topacts des Treffens; im Vergleich zum Silberschrott der Vorjahre durchaus brauchbar) ein Faltplan mit den Veranstaltungsplätzen in Leipzig, Rückseitig das komplette Programm übersichtlich in tabellarischer Form dargestellt (sehr nützlich und gut gemacht), ein Büchlein (einzeln für 100 ATS erhältlich; es enthielt neben dem obligatorischen Rückblick auf frühere Veranstaltungen, einer Erklärung über die Sternenkonstellationen während den Veranstaltungstagen und einem Programm, auch Kurzbiographien einiger auftretender Künstler), sowie einer "Überraschung". Bei dieser "Überraschung" handelte es sich dann "überraschenderweise" um einen kleinen Aufkleber mit einem Motiv, das wohl irgendwie dem WGT zuzuordnen sein soll. Übrigens beschwerten sich einige später (ob berechtigt ist wohl nicht nachzuweisen), sie hätten ein Obsorge Säckchen ohne CD ausgehändigt bekommen, es sei also angeraten die Tüte in Zukunft sofort auf Vollständigkeit hin zu überprüfen.

Die Sicherheitsvorkehrungen waren in diesem Jahr um einiges disziplinierter und schärfer, ja, teilweise sogar übertrieben. So wurde man vor den jeweiligen Eingängen genauestens von oben bis unten abgetastet, manchmal könnte man sogar geglaubt haben einer ärztlichen Untersuchung unterzogen worden zu sein. Besonders "militante Typen" (ich durfte es mit Begeisterung bei Mr. Skullfest miterleben *g*) wurden natürlich einer Sonderuntersuchung nach Messern, Pumpguns, Schrotflinten oder gar Handgranaten unterzogen :-)

Ein wenig gar störend war dann die Tatsache, dass man keine Regenschirme in die Agra Halle mitnehmen durfte, man musste also nach Aufforderung der Securities seinen Schirm draussen an den Gittern hängen lassen. Ob man seinen kleinen Schützling wiederbekam, war dann reine Glückssache. Eine Benummerung und Bewachung der konfiszierten Gegenstände ist eigentlich üblich und wäre auch hier wünschenswert gewesen. Sollte einem also sein bestes Stück (Schirm) abhanden gekommen sein, konnte man sich praktischerweise gleich nebenan für 70 ATS einen offiziellen WGT Schirm holen - Das nützlichste Accessoire, das man sich zur Wetterlage nur wünschen konnte.
Auch wenn die Securities in ihren Sicherheitsanweisungen teilweise übertrieben reagierten, schienen sie mir dennoch hilfsbereiter und netter als in vorigen Jahren, und bei so einigen Gothicdamen, die der Last ihrer zu grossen Koffer sichtlich unterlegen waren, wurde auch mal eben helfend Hand angelegt :-) Allerdings sollte man nie vergessen, dass die Securities in der Regel nur das letzte Glied der Befehls-Kette darstellen, und insofern immer auf die Anweisungen "Höherer" angewiesen sind.

Für Ärgernis sorgte am Samstag das Verbot, Getränke und Lebensmittel auf den Zeltplatz mitzunehmen, was jedoch am Vortag noch in rauhen Mengen möglich war. So waren nicht zu wenig Besucher ziemlich sauer, als sie an den Eingängen plötzlich mit eben diesen Verbotsschildern konfrontiert wurden. Grund hierfür waren angeblich Beschwerden seitens der Essenstände, die über zu wenig Umsatz klagten. Daran, dass hierbei vielleicht das Wetter eine Rolle spielen könnte, und sich die meisten lieber im trockenen Zelt als draussen im kalten Regen eine kleine Mahlzeit genehmigten, wurde anscheinend nicht gedacht. Wie auch immer, dies sorgte für grosse Aufregung, dem aber Abhilfe verschafft wurde, indem die meisten ihre Biersteigen und Essensvorräte von nun an nicht mehr durch die Haupteingänge des Geländes schleusten, sondern einfach wenige Meter daneben über die Gitter hoben.

Aufgrund der durchgehend schlechten Witterung (wer kein gutes Zelt sein Eigen nennen durftef, hatte speziell in der Nacht von Samstag auf Sonntag "feuchte Träume" der besonderen Art) hielten sich sehr viele in den überdachten Verkaufshallen am Agra Gelände auf. Dies bescherte den Händlern guten Zulauf und Massenverkäufe der "Wuschel Jacken" (offenbar das einzige warme Kleidungsstück, das es zu kaufen gab) und bot den Besuchern dank der Möglichkeit Getränke mit hineinzunehmen, einen trockenen Aufenthaltsort zum Feiern.
An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass der "Treffen Met" (70 ATS) dieses Jahr einen recht "wässrigen" (vielleicht zum Wetter passend hergestellt?) Geschmack hatte und viele dann doch auf einen rund 120 ATS teuren "besseren" Met zurückgriffen.

Wer in diesen 4 Tagen Bedürfnis nach einer warmen Dusche hatte, was sich vor allem bei diesem Wetter viele herbeisehnten, blieb zumeist enttäuscht. Die Benutzung der Duschen war zum Erstaunen vieler nicht im Preis inbegriffen. So geschah es, dass man neben den ohnehin schon langen Wartezeiten noch 21 ATS für eine Dusche löhnen durfte, wobei man netterweise gleich darauf hingewiesen wurde, dass man nicht mit warmem Wasser rechnen dürfte. Eine Benutzung der "besseren" Toiletten (Dixi Klos waren gratis) kostete 7 Schillinge. In diesen Anlagen hatte man dafür auch eine Möglichkeit sich vor einen Spiegel zu stellen und Strom gabs gar gratis dazu. Als "Edelcamper" ist es in den letzten Jahren offenbar üblich geworden zum Hauptbahnhof zu pilgern, wo es für 70 ATS erstklassige Duschen und WC Anlagen gibt, was wiederum zu gewissen Engpässen führte und mit entprechendem Warten verbunden war.

Die Konzerte und Veranstaltungen verliefen im Generellen sehr routiniert und zeitgerecht, fast peinlich genau traten alle Bands nach Plan auf, sodass sich die Besucher, die zwischen den einzelnen Locations unterwegs waren, sich auf die Zeitpläne verlassen konnten. Bis auf eine Band, die jedoch aus gesundheitlichen Gründen absagen musste, wurde das vorangekündigte Line Up vollständig eingehalten. Die "Fetisch Messe" fiel, mit deutlicher Verspätung eröffnet, dann doch ein wenig kümmerlich (aus "technischen Gründen) aus und rechtfertige damit auf keinen Fall die "Gesichts-Kontrolle" (Besuchern die nicht "Fetisch genug" aussahen wurde der Zutritt verwehrt), was nur zu unnötigem Gedränge führte.

Negativ sei hierbei vielleicht noch erwähnt, dass die Locations zwar in den meisten Fällen nett und gut gewählt waren, aber nicht immer mit den optimalen Bands besetzt wurden. So kam es zum Beispiel, dass eine kleine Band in der Agra Halle spielen durfte, eine andere jedoch, die weitaus erfolgreicher und beliebter war, nur für die kleine Halle des Werk II zugeordnet war, was natürlich aufgrund des hohen Andrangs Warteschlangen und Einlassverbote mit sich brachte.

Trotz dieser kleinen Zwischenfälle und des schlechten Wetters (das wohl oder übel auf die Stimmung drückte) war es aber ein durchaus gelungenes Festival, das sich vor allem auch durch die bessere Organisation auszeichnete. Würde man das eine oder andere Manko noch ausbessern, würde einem reibungslosen Ablauf eines Wave-Gotik-Treffen 2002 in Leipzig auch mit 25 000 Besuchern nichts mehr im Wege stehen, wären da nicht wieder gewisse Gerüchte in der Luft, dass man sich von Leipzig für dieses Festival trennen wolle...

SKULLFEST - WGT-Report

Tag 1 (Freitag, Werk 2):

SEPHIROTH
Mittlerweile ist ULF SÖDERBERG aka SEPHIROTH mit seinen rituellen Trommelwirbeln ja bereits vom Geheimtipp zum Tanzflächenknüller avanciert. Dementsprechend waren auch meine Erwartungen an dieses Konzert. Mir war zwar bewusst, dass so gut produzierte Musik höchstwahrscheinlich den Prozessoren eines Harddisk-Midi-Equipments entsprang, jedoch hoffte ich auf eine Live-aufbereitung von zu mindest den grandiosen Percussion-parts. Hätte sicher auch ordentlich was hergemacht, wenn zumindest 2-4 Trommler die Felle und auch die Beine des Publikums in Schwingung gebracht hätten. Aber leider... der einzige „Gastmusiker“ des Herrn Söderberg war ein MAC Powerbook und vielleicht noch ein Minidiskplayer. Dementsprechend war die Musik natürlich "perfekt", da sie bis auf 2 Remixe (so viel sind mir aufgefallen) ziemlich ident mit den CD-Versionen der bekannten Tonträger war. Danke- wieder einmal ein Kandidat für die Diskussion: "Warum könnte Live-auftritt eben LIVE-auftritt heißen." ;-)
Somit war SEPHIROTH für mich die Enttäuschung gleich zu Beginn meines 1. Abends und dabei hätte es doch SOOO schön werden können.
Fazit: CD: auf jeden Fall; LIVE: unnötig

SOPHIA
Nach 2-3 Trostgetränken und der Befürchtung, dass nun alle CMI-Bands nur aus der Konserve dröhnen könnten (sicherheitshalber gleich noch 2 „Trostgetränke“, hehe) überraschten plötzlich mächtige und vor allem live klingende, metallische Schläge aus dem Inneren des Werk 2 (*schnellrunterschüttundreininsgetümmel*).
SO muß das laufen Herr S.!!! 2 wütende Schweden malträtierten mit Unterstützung von Herrn „Ordo Rosarius Equilibrio“ diverse Eigenbau-stahl-percussion indem sie einen langsamen schweren Rhytmus nach dem Anderen gegen das Publikum schleuderten. Dazu entlockte eine schwarzhaarige Walküre ihrem Synthesizer die passenden Tiefbässe, emporgetragen von imperialen, mächtigen Hornfanfaren. Dazu hin und wieder ein unverständliches Sätzchen durch den Harmonizer und der martialische Death-industrial rollt schon alles in Grund und Boden.
Fazit: 2 durchlöcherte Blechplatten, ein sehr beanspruchtes Hallgerät und ein (mit vielen, vielen Anderen) begeisterter SKULLFEST.
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DEUTSCH NEPAL
Nach dem Verzehr einer Bratwurst (ist im HEIDNISCHEN DORF 10x besser als hier, im Werk2 und sonst wo am Festival) und 2 weiteren Durstlöschern welche ich mir während THE PROTAGONIST [_Fotos_] genehmigte (1 mäßiger Sänger, billige Klassik-synthsounds, 1 Trommler, ergo: trinken macht mehr Sinn), kam nun das gespannte Warten auf DIE One-Man-Show des Abends.
Nun könnten Manche sagen, daß Herr Lina Babydoll (sexiest man of the world) auch nur aus der Konserve spielt und allein auf der Bühne steht. Stimmt aber nicht. Wer ihn ein wenig kennt, weiß, dass kein Konzert wie das Andere ist. Man hat die Ehre ein Live-besäufniss mit gleichzeitiger Music-session zu erleben. Während in regelmäßigen Abständen die Bierdosen an Herrn Doll gereicht werden testet jener den Fundus seiner Kassetten-sammlung (an seinem erfreut, verwunderten Gesichtsausdruck ist dann immer eindeutig zu erkennen, dass er offensichtlich wirklich nicht mehr so genau weiß, was er eigentlich für „Schätze“ eingepackt hat), unterstützt von teils schneidigen, teils rhytmischen, aber in jedem Fall eingängigen Loops bzw. Samples, welche wahrscheinlich ebenfalls mehr oder weniger zufällig der spontanen Selektion und Aufbereitung entspringen. Diese werden dann LIVE mit diversen Effektgeräten entfremdet und dann noch von einer „engelsgleichen“ Trinkerstimme begleitet, welche der Maistro selbst wiederum durch etliche Verzerrer jagt, während er majestätisch auf der Bühne herumwankt. Gerüchten zu Folge waren 2-3 Sätze sogar verständlich (hehe).
Die Masse tobte, war begeistert und trank fröhlich mit (da konnte ich mich leider nur anschließen *g*).
Nach der ca. 2. Zugabe folgte das triumphale Finale, als Lina zwei, offensichtlich verirrte, volltrunkene Pseudo-metal-gröhler auf die Bühne bat um ihnen das „Wort“ zu erteilen. Diese, sehr erfreut, auch mal „ihre Meinung“ sagen zu dürfen, begröhlten nun ca. 10 min. in heftigster SEPULTURA-Manier das geneigte Publikum, während Lina noch einen flotten Rhythmus durch die Kabel jagte und dazu, sichtlich zufrieden, mit schwingender Faust und Bierdose in der anderen Hand am Bühnenrand posierte. Das verschmitzte Lächeln auf seinem volltrunkenen Gesicht ließ durchaus erkennen, dass hier nicht nur guter Industrial sondern auch eine Brise Live-sarkasmus dargeboten wurde.
Wie gesagt: ein glorreicher Abschluß (leider ohne Sturz von der Bühne) eines passionierten Trinkers, der dazu auch noch verdammt gute Musik macht.

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ORDO ROSARIUS EQUILIBRIO
Die Headliner Formation des Abends im Werk2. Nach kurzem Soundcheck-intermezzo wurde dargeboten, wie Bombast-Neofolk live klingen kann (soll): SELBST gesampelte Sounds (*g*), ein guter Trommler, Live-instrumente, ein guter, charismatischer Sänger...
Wer auf die Live-performance der barbusigen Sängerin von der HP gehofft hatte, wurde allerdings enttäuscht. Diese stammt nämlich noch aus der Zeit, als sich der ORDO aufs EQUILIBRIO beschränkte. Tja, neue Freundin, neue Sängerin (war leider fast nie zu hören), neuer Bandname, kein Strip mehr....Aber uns reife, erwachsene Musikliebhaber kann man mit solch billigen Show-effekten ja sowieso nicht ködern, oder? ;-) Vor allem, da man ja ohnehin von der ausgereiften, stimmigen Musik beeindruckt war.
Auf jeden Fall bereitete mir der Ausklang des Abends mit allen neuen und alten „Hits“ der düsteren Schweden dankenswerter Weise wesentlich mehr Freude, als mein magerer Einstieg durch Herrn SEPHIROTH.

Nachtrag:
Offensichtlich hat es seine Auswirkung gehabt, das Konzert wegen der vielen Leute nur mehr aus reichlicher Entfernung betrachten zu können (an den Getränken KANN es nicht gelegen haben *g*): Ich widerrufe die Behauptung, dass es kein nacktes Fleisch gegeben hätte. Unter der Leinwand dürfte sich eine strenge Dame befunden haben, die sich meinem Blick entzogen hat. Wenigstens hat unser Kamerakind sie entdeckt und somit könnt ihr sie sogar bei den Fotos bewundern.
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So, und nach diesem langen Tag hatte ich mir doch wahrlich "ein" kühles Bier verdient... ;-)

Tag 2 (Samstag, Parkbühne)

IN MY ROSARY
Nach einem ausgiebigen Frühstück und einer gemütlichen Runde Sauna und Whirlpool (an dieser Stelle geht ein „Danke“ an Gothic.at, für das tolle 5*-Hotel ;-)) und dem obligaten Besuch im HEIDNISCHEN DORF zwecks Nahrungsaufnahme fanden wir uns in der romantischen Parkbühne ein, welche bereits letztes Jahr den wenigen Neofolk-konzerten, die wirklich stattfanden, als Veranstaltungsort diente.
Mittlerweile wurden auch hier Securities für die homoerotische Leibesvisitation eingesetzt, was den sehr uniformierten Hauptcharakter des Publikums noch verstärkte. Also wieder nichts für zartbesaitete „Gothpunks“ (gelle, ogh7ds *fg*).
Da IN MY ROSARY nicht unbedingt zu meinen Favourites in Sachen Neofolk zählen, versuche ich rein objektiv zu bleiben: Gute Musiker, die ihre Instrumente im Griff haben, mit nett arrangierten Nummern, die auch mal ganz gut ins Ohr gehen. Von der instrumentalen Seite her kann man sie vielleicht ein wenig mit den neuen OSTARA-Stücken vergleichen (wenn man so was will, hehe), nur die markante Stimme fehlt halt. Insgesamt eher die „poppigere“ Abteilung, was schon durch das Schlagwerk ersichtlich war. Ergo: Zeit für einen Radler und ein paar netten Plaudereien unter Gleich(musik)gesinnten.

CAMERATA MEDIOLANENSE
Eine, mit Vogelfedern maskierte, hübsche Frau machte mit voller, heller Stimme klar, welche Gefilde CAMERATA MEDIOLANENSE nun beschreiten sollten. „Heavenly Voices“ in Reinkultur, gepaart mit einer kühnen Reckenstimme; Teils mittelalterlich sakral, teils rhytmisch bis anspruchsvoll poppig wussten die Italiener mit ihrer Vielfalt und ihrem Können zu überzeugen und schafften es durchaus sich der Gunst des Publikums zu versichern.
Ein gutes Beispiel, dass poppig und tlw.Rock-schlagzeug nicht zwingend seicht klingen muß. Leider war, wie bei eigentlich allen Konzerten, der Zeitplan wieder so straff, dass die Zugaben eher mager ausfielen. Aber die Freude auf die nächste Blitzstart-Kultstatus-Formation und eine kleine Abkühlung bei heißen 12°C verkürzte die Wartezeit und das Nachtrauern wegen der nicht mehr gehörten weiteren Zugaben.

:OF THE WAND AND THE MOON:
Da ich mich wegen des “freundlichen” Klimas mal eben um einen heißen Met anstellen mußte entging mir leider der Anfang der düsteren Band um Kim Larsen.
Leider fehlte Live ein wenig die eigene Stimmung, welche die erste CD zu vermitteln mochte. Dafür erwiesen sich die Norweger vor allem mit den neuen Songs als perfekte Alternative zu DEATH IN JUNE. Wer also bisher aus „political correctness“-Bedenken heraus den Genuss eben dieser gemieden hat, doch aber gern wissen würde, wie das denn eigentlich klingt, dem sei die neue „emtiness, emptiness, emptiness“-CD nahegelegt.
Und auch Live sollte man die relativ jungen :OF THE WAND AND THE MOON: nicht versäumen wenn man das Glück hat und einen der wenigen Auftrittstermine erhascht.
Selbstbewusst, doch warmherzig lädt Kim Larsen das Publikum zu einer Reise in eine andere Welt ein. Eine Welt voller Geheimnisse in finsteren Wäldern.
Spartanisch aber gezielt werden die „Neofolk-Standard-Instrumente“ eingesetzt, unterstützt von synthetisch generierten Stimmungs-teppichen. Wer die Ähnlichkeit mit DEATH IN JUNE nicht als Sakrileg betrachtet kann sich hier wohlfühlen und wünscht sich, dass es niemals ende... aber wir schreiben wieder das Jahr 2001 und freuen uns bereits auf den Wellness-bereich und die Bar im 5* Hotel ;-) (jedoch erst nach einer Fahrt in DAS GRAUEN!!! LAI, LEI)

LAIBACH
Hektisch und fluchtartig verließ die stramme Neofolk-gemeinde die mittlerweile in dunkle Nacht gehüllte Parkbühne. Schließlich lief man Gefahr, die sagenumwobenen Urväter der militanten Provokation vor der großartigen Kulisse des Völkerschlachtdenkmals zu versäumen: LAIBACH.
Ziemlich pünktlich vor Konzertbeginn setzte der gemütlich kalte Regen ein, der dutzende rüschenbesetzte, schwarze Schirme in die Höhe schnellen ließ, was schon einmal das erste Omen bei einer Band wie LAIBACH war (*g*).
Den Gerüchten um eine fulminante Pyro-show wurde noch einmal eins durch eine Feuerwerksankündigung zu Beginn des Konzertes drauf gesetzt, was wahrscheinlich einen Massenexodus verhinderte.Gespannt wartete man nun auf die „Methusalems“ des Military-„pop“. Und dann kamen sie über uns. Mit E-Gitarren und Schlagzeug!!!!. Und DAS bei LAIBACH!!! Sie haben es also wirklich getan. In Manier ihrer schlechtesten Platte überhaupt (JESUS CHRIST SUPERSTAR) versuchten sie ihren eigenen Sprösslingen, RAMMSTEIN, das Wasser zu reichen. NUR... RAMMSTEIN, ob man sie nun mag oder nicht, wissen wenigstens, WIE man diesen Sound macht. Schließlich haben sie die letzten 5 Jahre der deutschen Hard-waver und Metaller massiv geprägt.
Und bei LAIBACH sind VAN HALEN-like Gitarrensoli nun einmal genauso passend wie Gina Wild beim alljährlichen Urbi et Orbi in Rom.
Man harrte also in strömendem kalten Regen der Gerüchte um ein brennendes Völkerschlachtdenkmal und hoffte auf die Zugabe, welche als Startpunkt für das „Abfackeln“ angesetzt wurde.
Endlich, zu einer Metal-version von „Geburt Einer Nation“ (Aaaaaaaarrrrgh!!!!) wurden nun etagenweise bengalische Feuer am Völkerschlachtdenkmal entzündet.
Hat ganz nett ausgesehen, aber um die Schlappe von LAIBACH wettzumachen hätte schon das GANZE Denkmal WIRKLICH brennen müssen *g*. Der flotte Weg zum Auto wurde dann noch von einer ebenfalls "Räntäntän"-Version von "Life Is Life" untermalt.
Schnell, ab in die trockene, warme Stretch-limousine (abermals „Danke“ an Gothic.at ;-)), um schnur-stracks die Moritz-Bastei aufzusuchen, wo spät gegen 01:00 noch die deutschen HEKATE aufspielen sollten.
[_Fotos_]

(HEKATE)
Nachdem man sich mit ein paar Schlucken der Stärkung einen Weg durch die Massen in einer total überfüllten Moritz-Bastei gebahnt hat musste man feststellen, dass leider bereits drei Kammern vor dem eigentlichen Veranstaltungsraum ein durch Überfüllung fast unüberwindbares Hindernis darstellen sollten. Doch was tut man nicht alles um ordnungsgemäß Bericht erstatten zu können. Mit Einsatz des kostbaren Odems schlug man in Kniekehlen, rülpste damenhaften Schönheiten ins Ohr, drohte mit fürchterlichen Blähungen, etc, etc,... und schließlich.... schließlich erreichte man die Schwelle zur heiligen Halle und man konnte sie fast sehen - Die linke Kante der Bühne. Und wenn man sein aristokratisches Kinn reckte und streckte, das edle Haupt hob und bog, so ward einem doch glatt der Blick auf das bühnenmittigplazierte Schlagwerk preisgegeben. Doch bei Ertönen der ersten Klänge wurde das drängende Treiben immer bunter und der Kreislauf, die Hüften und nicht zuletzt eine recht zarte Maid verlangten zunehmend nach luftigeren Höhen, was unsereins dann zum Aufbruch an die obere Bar und Tanzfläche veranlasste um den trockenen Gaumen mit einem linden Trunk zu benetzen.
Somit muß der Bericht zu diesem Konzert leider verschoben werden. Auf einen Zeitpunkt, nachdem HEKATE einmal in Wien gastiert haben werden (Wir arbeiten daran...wie gesagt, für Euch ist uns nichts zu teuer;-)).

Tag 3 (Haus Leipzig/Agrahalle)

SCIVIAS
Schon eine halbe Stunde vor Öffnen der Pforten sammeln sich die ersten Ledermäntel und Tarnjacken vor dem zwischenkriegs-style Gebäude HAUS LEIPZIG.
Es ist eindeutig erkennbar, welches Genre den heutigen Abend bestimmen wird.
Leider müssen die Magyaren ohne Live-Chello auskommen, liefern aber dennoch eine sehr intensive Aufführung ihres Programms. Bei den Live-Konzerten wird das Unverständnis der ungarischen Sprache immer unwesentlicher, da man die Emotionen, die Alex und seine Mitstreiter in ihre Musik legen nun auch direkt vor Augen hat.
Leider wird zu meinem Leidwesen gerade meine Lieblingsnummer nur mehr angespielt und muß dann doch abgebrochen werden, da sehr viel Wert auf pünktliches Beginnen der nächsten Band gesetzt wird.

TENHI
Wieder eine meiner nicht unbedingten Lieblingsbands.
Vergleichbar mit IN MY ROSARY kann man auch hier von guten Musikern sprechen, die zwar nette Kompositionen zustande bringen, bei denen MIR jedoch ein wenig der „Geist“ fehlt, der einer Gruppe die nötige Würze und Glaubhaftigkeit verleiht.

ORDO EQUITUM SOLIS
Da ich bisher immer nur sehr sphärische und ambientartige Stücke von ORDO EQUITUM SOLIS gehört hatte war ich sehr gespannt, wie so etwas denn live dargeboten werden sollte und ich wurde äußerst positiv überrascht.
Obwohl „nur“ aus einem Duo bestehend, wurde eine spürbare Kraft freigesetzt, als die Italiener mit ihrer Musik das Publikum einfingen.
Wahrscheinlich lag es an den starken Persönlichkeiten des Sängers (erinnerte mich optisch ein wenig an DJ VLAD) und seiner durchaus attraktiven Gefährtin, deren Stimme leider erst ab der dritten Nummer hörbar wurde und die zeitweise auch mal ein Trömmelchen in den Reigen einstimmen ließ.
Unterstützt wurden die neoklassichen Synthieflächen auch noch von einer gut platzierten Live-gitarre, deren Saiten ebenfalls der dunkle Mann am Mikro anschlug.
Ein sehr kompakter Auftritt, der zu überzeugen wusste und mein Wissen um ORDO EQUITUM SOLI´s Vielfalt erweiterte.

SORROW
Da ich das Vergnügen hatte SORROW bereits einmal in London erleben zu dürfen wusste ich bereits, wie familiär und doch professionell Rose Mac Dowell ihre Auftritte gestaltet.
Mit kindlich, unschuldiger Stimme bezaubert sie einfach jeden und alles.
Und während John Murphy (SPK, WHITEHOUSE, KRAANG, DEATH IN JUNE, DER BLUTHARSCH) mit eiserner, emotionsloser Miene die Trommeln dafür um so gefühlvoller wirbeln läßt erklingen prägnate Melodien durch die Corpi der Akustik-gitarre.
Hin und wieder bereichern dann noch eine von Rose gespielte Melodika und eine kleine Kinderorgel das Sammelsurium an melancholischen Liebesliedern und eigentlich kann man sich gar keine andere Gruppe mehr nach diesem Konzert vorstellen außer CURRENT 93 oder vielleicht ...

BACKWORLD
Diese sind Gott sei Dank noch nicht so Live-rar wie der mittlerweile zum Mysterium gewordene Herr Tibet.
Zurückhaltend, ja fast schüchtern spielt Joseph Budenholzer mit seinen Mannen einem fulminanten Abschluß des Abends im HAUS LEIPZIG entgegen.
So unaufdringlich wie der Meister selbst schleichen sich auch die Nummern still und heimlich
in die Herzen der Zuhörerschaft um diese schließlich gänzlich in ihren Bann zu ziehen.
Als dann auch noch Rose Mac Dowell ein weiters Mal die Bühne betritt um bei der Zugabe, dem heiß erwarteten DEVIL´S PLAYTHING, in ein Duett einzustimmen setzt bei wahrscheinlich allen ein befreiendes Gefühl des erlösenden Wohlbefindens ein.
Und fast könnte man die Sorge vergessen, ob man noch rechtzeitig das Gelände der Agra-halle erreichen würde um den eigentlichen Headliner des Festivals nicht zu versäumen:

COIL
Dank geht hiermit an die Organisatoren, dass sie trotz eines nur halbstündigen Auftrittes von FRONT 242 offensichtlich das Eintrudeln der wohl Hauptfangemeinde COIL´s abgewartet haben. Mit dem prägnanten „Something“-Intro der „Musick to play in the dark II“ begann auch die Performance der Kult-formation mit offensichtlichem Hang zum Theatralischen. Während große Glühbirnen über der Bühne flackerten spazierten weißgewandete „Patienten“ zwischen ominösen Apparaturen (ob diese tatsächlich zur Soundproduktion dienten werden wir wohl nie erfahren) umher und beglückten die erste Publikumsreihe mit Weihrauch.
Die Songs waren keine Nervtöter, glücklicherweise aber auch nicht ausschließlich der Soft-kommerz-Schublade Coil´s entnommen. Viele, vor allem wahrscheinlich die jüngeren, Goth-Zuhörer fragten sich wahrscheinlich, was so rumpelige experimentelle Typen eigentlich mit Grufti zu tun haben sollen, ... aber SO war Undergroundmusik früher halt.
Und im Gegensatz zu Lai-Lai-bach haben sich Coil, Gott sei Dank, diesen Ursprung bewahrt und ihn auch zum Besten gegeben. „Hits“ gab es (leider) keine zu hören und daher war dieser Auftritt wohl für die Meisten eine ziemliche Überraschung.
Ehrlicherweise muß man sagen, wäre nicht die (headlinermäßige) Bühnenausstattung gewesen und wären es eben nicht COIL, so würde man wahrscheinlich mal kurz nicken mit den Worten „Ja, war eh ganz ok“, aber da es sich wie gesagt um den Headliner handelte und man diesbezüglich von Lai-Lai-bach sehr geläutert war muß man wahrlich Anerkennung für die Konsequenz und das sehr gelungene Ambiente aussprechen, dass die heimlichen Götter der experimentellen Düstermusik der Fangemeinde bereiteten.
Und obwohl ich diesen Tag kein einziges Getränk erwähnt habe war es mein Leipzig-Rekordtag und es muß wohl Schicksal gewesen sein, dass mich diesen Auftritt noch aufrecht miterleben ließ. Ein Dank hiermit an das Schicksal... ich hätte es bereut.
[_Fotos_]

HEIDNISCHES DORF (generell)
Erfreulicher Weise ist diese Einrichtung nicht den Umstrukturierungen des Festivals zum Opfer gefallen. Wie auch letztes Jahr bot es das beste Festival-essen, den besten Met, das beste Bier, die entspannendste Atmosphäre und ist durch die familiäre Stimmung und die liebevoll gestalteten Zeltchen und Hütten weiterhin ein heißer Tip, wenn man relaxen und sich in Ruhe unterhalten will.
Aufgepeppt wird das Ganze von ganz gut gemachten Schaukämpfen und diversen Mittelalter-Live-Spielleuten. Nicht zu vergessen von den Live-Sex-Shows der diversen Hunde, die so ziemlich alles besteigen, was auf vier Pfoten daherkommt ;-).