Der Begleitband zum 20. Wave-Gotik-Treffen ermutigt, Hostel- bzw. Hotelzimmer für das 21. Festival gleich diesen Sommer zu buchen.

Und das ist nicht einmal so abwegig. Denn mittlerweile ist das alljährliche WGT in Leipzig das am besten besuchte Musik- und Kulturfestival der deutschsprachigen schwarzen Szene, sodass die günstigsten Angebote für die Pfingsttage spätestens zu Jänner ausgebucht sind. Nicht selten trifft man auch auf „alte WGT-Hasen“, die schon mehr als 10 Festivalbesuche hinter sich haben. Wird das nicht irgendwann einmal langweilig?

Unter Umständen. Eventuell ein bisschen. Oder vielleicht auch gar nicht. Denn warum das WGT eines der vielseitigsten Festivals ist, bei denen es durch die Jahre tatsächlich das ein- oder andere jährliche oder exklusive Highlight gibt, wird in dem kleinen Band von HerausgeberInnen Jennifer Hoffert und Alexander Nym sichtbar. Hier finden sich diverse Höhepunkte der einzelnen Jahre aus unterschiedlichsten Perspektiven und teilweise recht persönliche Eindrücke oder Anekdoten, ebenso wie Hintergrundinformationen zu den BesucherInnen. Zwar ist es nicht sonderlich überraschend, von der hohen Bewertung des Faktors Individualität durch Angehörige der Düsterszene zu lesen (hierzu sind Eckdaten einer BesucherInnenbefragung aus 2010 inkludiert), aber so hat man es wenigstens einmal schwarz auf weiß und statisch untermauert - übrigens auch zweisprachig. Ebenso wie die jahrlange Annahme, dass die Altersgruppe der über 35-Jährigen auf dem WGT erfreulicherweise gut vertreten sein könnte und keine 5%ige Minderheit ausmacht.

Erfreulich ist, dass es sich hier um keine Bildersammlung handelt, die „halt irgendwie noch ein bisserl“ mit Texten angereichert ist. Das kleine WGT-Bändchen ist tatsächlich etwas zum Lesen, Sichunterhaltenfühlen, Zurückversetztwerden und Reflektieren, beispielsweise über mythische Abgründe von Musik und die persönliche Wahrnehmung von Musik-Ikonen, wie es Publizist und Filmwissenschaftler Marcus Stiglegger in seinem Beitrag über die Auftritte von Fields of the Nephilim tut. Oder die Mini-Reportage über die „Hotel-WG“ Gustav-Adolf, bei der es BesucherInnen geschafft haben, Zimmer für Zimmer das ganze Jahr über in Besitz zu nehmen.

Für alle, die mit dem Gedanken spielen, zum ersten Mal nach Leipzig zu pilgern, ist diese Text- und Bildsammlung auf jeden Fall eine gute Entscheidungsbasis. Und für erfahrenere BesucherInnen gibt es vielleicht doch noch so manches zu erfahren, beispielsweise

  • warum das erste Treffen für Bruno Kramm einem „Ritus der Wiedertaufe“ glich
  • was Toilettenpapier-Mumien, Gothic-Krabben und Tampon-Schauer dort zu suchen haben
  • warum die Urformation von Dies Natalis nach dem „Pleite-WGT“ von 2000 zerbrach oder
  • wie es um Bildungsgrad oder „Gläserrück-Affinität“ der BesucherInnen steht.

Achja, und die paar Bilder (BesucherInnen-Portraits, H&M-Gruftis, Bands in action, Würste am Grill…) wären dann auch noch drin.

 

Laut Herausgeber Alexander Nym gab es übrigens mit dem Underground-Literaturmagzin PANoptikum 2001 einen formellen Vorläufer des ebenfalls bekannten Buches „Schillerndes Dunkel“, der auf 90 Seiten Beiträge von Genesis P-Orridge, R.U. Sirius, Michael Horowitz, M.D. Eschner, Ron Schmidt u.a. versammelt. Hier wird Gegenkultur dann noch bunter und experimentieller verhandelt: Von den Hippies über den Cyberspace bis zur Philosophie von Aleister Crowley oder Hegel. Dazu gibt es einen Sampler mit Substanz T., Jack Or Jive, Sieben, DAH u.v.m. – allgemein eine Empfehlung für alle, die die Buntheit der Szene eher durch Gedankenexperimente als durch schrille Outfits angehen möchten. Interessierte können den Band bei Alexander Nym (erreichbar beispielsweise über orgonautic.net) bestellen.

Bestellmöglichkeit „Black Celebration“     ISBN 978-3-86211-037-7, ca. 13 €